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Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Titel: Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Kraus
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ausgelassen und fröhlich sein.»
    Die Präsentationen im Netz sind freilich eine Zeiterscheinung, die sich totlaufen wird – oder eben nicht. Vorläufig aber greift ein alltäglicher Exhibitionismus via Medien um sich. Er beschränkt sich nicht auf Prominente und Medienprofis. Eltern schreiben Bewerbungsschreiben für ein Casting bei «Deutschland sucht den Superstar», kurz DSDS. Sie oder ihre Kinder basteln an einer eigenen Homepage, man «ist» auf Facebook und YouTube («for all to see»). Diese Videoplattform ist zu einer weltweiten Schaubühne für privates Casting geworden, auf der man zeigen kann: «Da will ich mit meinem Kind hin.»
    Bernhard Pörksen und Wolfgang Krischke haben sich in dem von ihnen 2010 herausgegebenen Band «Die Casting-Gesellschaft – Die Sucht nach Aufmerksamkeit und das Tribunal der Medien» befasst. Für die beiden Autoren ist ein Casting ein Selbstbetrug an der Authentizität. Es liegt ihm ein völlig neuer Leistungsbegriff zugrunde, nämlich die Vorstellung, dass Ruhm ohne Leistung möglich ist. Was Pörksen und Krischke analysieren, gilt auch für manche Eltern, die ihre Kinder zu vermarkten versuchen. Geradezu Fälle von Kindesmissbrauch erlebt man, wenn man etwa die SAT.1-Sendung «The Voice Kids» einschaltet und vorgeführt bekommt, was ein achtjähriger angehender Star dort erfährt: Vormalige Kinderstars werfen sich ehrfurchtsvoll vor ihm auf den Boden, die Mitglieder der Jury haben Tränen in den Augen, das Publikum tobt bei Standing Ovations. Peinlich und erschreckend zugleich.
    Bewunderung über Bewunderung
    Nichts sollte Eltern daran hindern, ihre Kinder bereits wegen banaler Leistungen oder Selbstverständlichkeiten zu loben. Kinder müssen aber nicht schon gelobt werden, wenn sie sich widerwillig dann doch mal vom Fernseher wegbewegt haben und pünktlich zum Essen gekommen sind. Und es muss nicht sein, dass jedes Gekrakel mit Stiften auf der Wohnzimmertür bejubelt und jede gekrächzte Liedstrophe begeistert beklatscht wird. Nicht jeder Kreidekringel auf dem Gehsteig ist ein Talentbeweis. Und nicht jeder Schuss des eigenen Kindes auf dem Fußballplatz braucht Begeisterungsstürme. Sonst gewöhnen sich die Kinder daran, dass sie eines Tages ohne jede erkennbare Vorleistung bewundert werden. «Man wundert sich über gar nichts, wenn man sich über alles wundert», schrieb schon Antoine de Rivarol über den «Zustand der Kindheit». Will sagen: Über kurz oder lang geht bei Kindern sogar das größte Lob ins Leere.
    Aus der Sucht heraus nach Bewunderung oder zumindest nach deren elterlicher Inszenierung werden in den USA und mittlerweile in Deutschland Schönheitswettbewerbe für Kinder ab drei Jahren inszeniert. Am 30. Januar 2013 berichtete das ZDF-Auslandsjournal von 5000 Wettbewerbsteilnehmern in den USA – darunter Kinder unter drei Jahren. Die Mutter einer Tochter spricht in die Kamera: «Ich verwandle sie in eine Prinzessin.» Das sieht dann so aus: Dreijährige werden mit Selbstbräuner behandelt, sie bekommen künstliche Wimpern, ein künstliches Gebiss, gelegentlich falsche Brüste. Am Ende heißen sie «Little Miss Sunshine», und falls sie siegen, gehen sie mit 1000 Dollar Gewinn nach Hause. Von dort ist es nicht weit zur ersten Schönheits-OP mit 14 Jahren. Das braucht niemanden zu wundern, wo sich doch, so die propatient-Beratungsstelle, jährlich etwa 500000 Menschen unter das Messer eines Schönheitschirurgen begeben. Davon sind, so Schätzungen der Vereinigung Deutscher Plastischer Chirurgen, etwa zehn Prozent jünger als 20 Jahre.
    Bloß keine Abweichung
    Passen die Kinder aber einmal nicht in die mediale Präsentation oder in eine Normtabelle, dann wird die kleinste Abweichung von der Norm hypersensibel analysiert, interpretiert und therapiert. Das Kind lispelt ein wenig – oder es hört sich jedenfalls so an. Die Folge: Fast 25 Prozent der Sechsjährigen hatten laut Heilmittelbericht 2011 der AOK bereits eine sprachtherapeutische Behandlung hinter sich. Ergotherapie hatten im Jahr 2010 schon 14 Prozent der sechsjährigen Jungen und 5,6 Prozent der sechsjährigen Mädchen in Anspruch genommen. Im Jahr 2007 waren es insgesamt mehr als 20 Prozent aller sechsjährigen Jungen gewesen, die bei der AOK versichert waren und eine Sprachtherapie bekamen. Das Angebot für solche Maßnahmen ist also da. Therapeuten aller Art, Sprachtrainer und andere Erziehungscoaches umlagern die unsicheren Eltern. Dass der Hintergrund für Sprachprobleme nicht

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