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Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Titel: Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Kraus
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gemeinsame Kind ein zweites Weihnachten, ein zweites Osternest, eine zweite Ferienreise möglich macht. Scheidungskinder sind in puncto materieller Verwöhnung also besonders gefährdet, weil sie oft von mehreren Seiten alles und mehr bekommen.
    Für manche Heranwachsende stellt sich damit bewusst oder unbewusst tatsächlich die Frage: Wozu noch erwachsen werden, wenn man schon als Heranwachsender alles haben kann? Das Erwachsenendasein verliert für so manchen Teenie seinen Reiz. Genauso wie das Erwachsensein den Reiz seiner intimsten Geheimnisse durch eine fortschreitende Frühsexualisierung von Kindern verliert.
    «Wenn ich einmal groß bin, dann mache ich dieses und jenes, dann kaufe ich mir dieses und jenes, dann erlaube ich mir dieses und jenes», sagte ein Kind früher. Heute genießt ein Teenie – solange der Jugendschutz nicht dazwischensteht – vieles von dem, was Erwachsene einst an Dingen und an Freiheiten exklusiv für sich hatten, bereits im zweiten Lebensjahrzehnt. «Consumo ergo sum» – auf Deutsch heißt das: «Ich kaufe, also bin ich.» Ein Buch des französischen Philosophen Pascal Bruckner aus dem Jahr 2004 trägt exakt diesen Titel. Bruckner kritisiert darin «die Utopie, auf das Verzichten verzichten zu können». Er meint damit zunächst die Erwachsenenwelt. Seine Sorge gilt aber auch einer Generation von jungen Erwachsenen, die alles erhalten hat, aber nichts erobern musste und die ihr Erbe sozusagen verfrühstückt. Bruckner wörtlich: «Unser Wohlstand im Westen heute beruht auf dem Opfer früherer Generationen, die nicht denselben Lebensstandard und nicht die Früchte einer solchen technischen Entwicklung genießen konnten.» Und weiter: Die Logik des Konsums sei eine infantile Logik, die sich in vier Formen äußere, «der Dringlichkeit des Vergnügens, der Gewöhnung an das Beschenktwerden, dem Traum nach Allmacht, dem Durst nach Zerstreuung».
    «Der kleine Prinz» von Antoine de Saint-Exupéry würde, wie im Gespräch mit dem Fuchs, sagen: «Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgend etwas kennenzulernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr.» Verwöhnte Kinder sind deshalb oft einsam und isoliert. Das ist die gravierendste Folge.
    Verwöhnung kann man in manchen Fällen durchaus als Variante der Verwahrlosung betrachten, denn verwöhnte Kinder zeigen nicht selten dieselben Symptome von Verwahrlosung, die auch vernachlässigte Kinder kennzeichnen. Es gibt dafür den Begriff der Wohlstandsverwahrlosung. Gemeint ist damit eine seelische Verwahrlosung bei gleichzeitiger materieller Übergratifizierung. Übertriebene Verwöhnung vermag die gleichen Schäden anzurichten wie eine extreme Vernachlässigung der Kinder durch die Eltern. Verwöhnung ist oft sogar eine subtile Form der Kindesmisshandlung. Das sieht Sigrid Tschöpe-Scheffler so. In ihrem Buch «Elternkurse auf dem Prüfstand – Wie Erziehung wieder Freude macht» aus dem Jahr 2003 schreibt sie: «Eine andere Seite des psychischen Missbrauchs äußert sich in Überbehütung und Überfürsorge. […] Die betroffenen Kinder haben wenig Chancen, selbstständig zu werden, stattdessen geraten sie in große Abhängigkeit zu den Eltern, da sie Angst haben, diese zu enttäuschen.»
    Übermaß und Mangel zugleich
    Verwöhnung hat nicht nur materielle Dimensionen, denn Verwöhnen heißt: Dem Kind soll alles zuteil werden, nicht nur Materielles, sondern auch Zärtlichkeit, Lob und alle anderen Arten von Zuwendung. Dabei sind die Übergänge zwischen Zuwendung und Verwöhnung fließend. Verwöhnung ist Übermaß und Mangel zugleich – nämlich ein Übermaß an Sorge, Hilfestellung, Entlastung von Pflichten und von Unangenehmem, an Geschenken, Geld und so weiter sowie ein Mangel an Zutrauen, Zuversicht, Leistungsanspruch und Grenzensetzen.
    Die Verwöhnmethoden zeigen dabei eine sehr große Bandbreite. Hier gibt es nichts, was es nicht gibt. Zum Beispiel die Mutter, die gegenüber dem Schulleiter keinerlei Verständnis dafür hat, dass ihre Tochter am Montag, einem Schultag, nicht bis 10.30 Uhr ausschlafen darf, obwohl sie doch am Vorabend als Cheerleader ein Pokalspiel ihres Clubs besucht hat.
    Beginnen kann das Verwöhnen aber schon im Säuglingsalter, wenn der kleine Erdenbürger zu schlecht oder zu langsam oder zu schläfrig trinkt und Eltern meinen, ein größeres Loch im Schnuller könnte helfen. Oder wenn Mama keine Zeit hat, den

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