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Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Titel: Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Kraus
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Lehrerschaft eher ein Laisser-faire verbreitet.
    Dieser Wandel der Erziehungshaltungen und Erziehungspraktiken ist Konsequenz eines Wandels der Werteinstellungen, der ab den 1970er Jahren einsetzte und in dessen Folge «Pflicht- und Akzeptanzwerte» wie Ein- und Unterordnung sowie Bescheidenheit laut Analyse des Soziologen Helmut Klages massiv an Bedeutung verloren sowie Selbstentfaltungs- und hedonistische Werte erheblich an Bedeutung gewonnen haben. Seine Umfragen belegen, dass sich in der Folge die elterlichen Erziehungsziele erheblich gewandelt haben: Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten zwischen 1975 und 1995 wuchs die Zustimmung von Eltern zu den Erziehungszielen «Selbständigkeit und freier Wille» von 40 auf über 60 Prozent, während die Zustimmung zu den Erziehungszielen «Gehorsam und Unterordnung» von rund 30 Prozent auf 8 Prozent abstürzte. Eines steht seitdem ganz oben auf der Wunschliste der Eltern: Das Kind soll sich durchsetzen lernen. Laut Generationenbarometer 2009 des Allensbach-Instituts nennen 71 Prozent der Eltern «Durchsetzungsfähigkeit» als Erziehungsziel. Anpassungsbereitschaft und Bescheidenheit als Ziele spielen dagegen eine immer geringere Rolle.
    Die kritische Reflexion dieses Wandels setzt freilich alsbald ein. Bei Forsa 2001 sind es 62 Prozent der Bürger, die meinen, dass Kinder strenger erzogen werden müssten. Und als die damalige Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf 2001 mehr Strenge von Eltern forderte und verlangte, dass Kinder rechtzeitig ins Bett zu bringen und Tugenden wie Höflichkeit und Rücksichtnahme zu fördern seien, fand sie viel Zustimmung. Ihr Gatte freilich hatte den Bereich «Familie und Gedöns» bereits zuvor zur Nebensache abgetan.
    Bei den Adressaten elterlicher Erziehung ist die von ihren Eltern praktizierte Liberalität entsprechend angekommen. Laut einer von Jacobs Krönung in Auftrag gegebenen Allensbach-Studie von 2011 empfinden 84 Prozent der 14 bis 17 Jahre alten Heranwachsenden ihre Eltern als ziemlich lässig, nur 5 Prozent der jungen Leute unter 25 Jahren meinten, streng erzogen worden zu sein, bei Erwachsenen über 60 Jahren geben dies 80 Prozent an. Da verwundert es nicht, dass laut einer anderen Allensbach-Studie von 2000 es für 76 Prozent der Eltern wichtig ist, dass ihre Kinder lernen, «sich durchzusetzen und nicht so leicht unterkriegen zu lassen». Eine paradoxe Situation: Selbst will man als Eltern keine Autorität sein, die Kinder sollen sehr wohl aber Ellenbogenautorität erwerben.
    Viele Eltern scheuen vor eigener Autorität zurück, weil sie Autorität mit autoritär verwechseln und weil sie – eines der Hauptprobleme der Erziehung heute – ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis haben. Erziehung ohne Autorität geht aber nicht. Viele Eltern wollen eher Partner der Kinder sein, mit denen man womöglich bereits im Vorschulalter eine symmetrische Kommunikation haben könne. In der Folge ist es mit dem Gehorsam der Kinder gegenüber ihren Eltern oft nicht weit her. Der Gehorsam hat sich teilweise sogar eher umgekehrt: Eltern gehorchen ihren Kindern. Immer mehr Kinder nämlich haben ihre Eltern im Griff.
    Aus Erziehung kann aber keine Beziehung auf Augenhöhe werden. Deshalb darf die Autorität der Autorität nicht permanent in Frage gestellt werden. Eltern sollten sich durchaus ihrer Rolle als Chefs in der Familie bewusst sein. Die Mutter mag die beste Freundin ihrer Tochter sein, der Vater der beste Kumpel seines Sohnes. Ausschließlich Freund sein zu wollen tut auf Dauer nicht gut – das gilt für die Familie genauso wie für die Schule. Denn in beiden Bereichen bedarf es eines ausgewogenen Verhältnisses von Nähe und Distanz. Auch eine Symbiose Eltern–Kind ist nicht im Interesse des Kindes, eine solche Verschmelzung behindert das Kind in seiner Entwicklung, weil es sich dann nicht als eigenes Wesen einschätzen kann. Kinder sind mit Partnersein überfordert. Sie brauchen vielmehr erwachsene Autoritäten und authentische, sich selbst treue Vorbilder.
    Wie aber wollen wir junge Leute zu Erwachsenen erziehen, wenn die Erwachsenen selbst dem Jugendwahn erliegen? Ihrer emotionalen, moralischen und intellektuellen Entwicklung wegen brauchen Kinder einen erwachsenen Widerpart, denn Heranwachsende wollen gar nicht unbedingt coole Eltern, sie wollen Autoritäten und erwachsene Vorbilder.
    Vorbild zu sein heißt: Ihr als Angehörige der Erwachsenengeneration, tragt euren Zuwachs an Jahren und Erfahrung mit Würde. Das offenbar

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