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Helix

Helix

Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Wanze.
    Ich versuchte es mit einem aussichtsreicheren Manöver. »Ihr habt uns die CMG-Technologie gegeben«, sagte ich, »und die hat uns gewiss wundervolle Veränderungen beschert.« Verdammter Mist, dachte ich. Früher, als die Autos noch nicht fliegen konnten, habe ich mich wohler gefühlt. Wenigstens waren die Verkehrsstaus auf der Front Range, wo ich damals in Colorado lebte, noch zweidimensional. »Aber wir sind … nun ja, wir sind neugierig … wir wüssten gern, wann die Lauscher ihre anderen Geheimnisse mit uns teilen.«
    »Wir haben keine Geheimnisse«, sagte Kanakaredes. »Der Begriff der Geheimhaltung war uns nicht einmal bekannt, bis wir hier auf der Erde eingetroffen sind.«
    »Also gut, dann eben keine Geheimnisse«, sagte ich eilig, »aber dafür vielleicht neue Technologien, Erfindungen, Entdeckungen …«
    »Was für Entdeckungen?«, fragte K.
    Ich holte Luft. »Eine Heilung für Krebs wäre gut«, sagte ich.
    Kanakaredes machte ein klickendes Geräusch. »Ja, das wäre gut«, schnaufte er schließlich. »Aber das ist eine Krankheit, die nur eure Spezies trifft. Warum habt ihr noch kein Heilverfahren erforscht?«
    »Wir haben es ja versucht«, meinte Gary. »Aber das ist eine harte Nuss.«
    »Ja«, sagte Kanakaredes. »Das ist eine harte Nuss.«
    Ich gab jede Zurückhaltung auf. »Wir halten es für wichtig, voneinander zu lernen«, sagte ich. Meine Stimme war vielleicht ein wenig lauter, als es nötig gewesen wäre, um den Sturm zu übertönen. »Aber dein Volk ist so zurückhaltend. Wann werden wir wirklich beginnen, miteinander zu reden?«
    »Wenn euer Volk gelernt hat zuzuhören«, sagte K.
    »Hast du dich uns deshalb zu dieser Besteigung angeschlossen?«, fragte Paul.
    »Es ist nicht der einzige Grund«, sagte die Wanze, »aber es ist, zusammen mit der Notwendigkeit, zu verstehen, einer der Gründe, warum ich mitgekommen bin.«
    Ich warf einen Blick zu Gary. Er lag auf dem Bauch, sein Kopf war nur Zentimeter unter dem niedrigen Zeltdach. Er zuckte leicht mit den Achseln.
    »Gibt es auf deiner Heimatwelt Berge?«, fragte Paul.
    »Man hat mich gelehrt, dass dies nicht der Fall sei.«
    »Dann war deine Heimatwelt also so ähnlich wie der Südpol, wo ihr eure Enklave habt?«
    »Nicht so kalt«, antwortete Kanakaredes, »und im Winter wird es nicht dunkel. Aber der Atmosphärendruck ist ähnlich.«
    »Dann bist du also auf – was weiß ich – auf sieben- oder achttausend Fuß Höhe angepasst?«
    »Ja«, sagte der Mantispa.
    »Und die Kälte macht dir nichts aus?«, fragte Gary.
    »Manchmal ist es ungemütlich«, sagte die Wanze. »Aber unsere Art hat eine subkutane Schicht entwickelt, die der Temperaturregelung dient und in etwa so funktioniert wie eure Thermohäute.«
    Jetzt war ich wieder an der Reihe, eine Frage zu stellen. »Wenn deine Heimatwelt keine Berge hat«, sagte ich, »warum willst du dann mit uns auf den K2 steigen?«
    »Warum wollt ihr denn auf den Berg steigen?«, fragte Kanakaredes. Sein Kopf drehte sich leicht, als er uns nacheinander ansah.
    Einige Augenblicke lang herrschte Stille. Nun ja, eigentlich war es nicht wirklich still, weil der Wind und der herunterprasselnde Schnee Geräusche erzeugten, als hätten wir unser Lager hinter einer Flugzeugturbine aufgeschlagen. Aber wir drei Menschen wussten nichts zu sagen.
    Kanakaredes faltete seine sechs Gliedmaßen auseinander und klappte sie wieder ein. Es war ein beunruhigender Anblick. »Ich glaube, ich werde jetzt versuchen zu schlafen«, sagte er. Damit schloss er die Klappe vor seiner Nische und sperrte uns aus.
    Wir drei steckten die Köpfe zusammen und unterhielten uns flüsternd. »Er kommt mir vor wie ein verdammter Missionar«, raunte Gary. »All dieses Gerede, dass wir dem Lied lauschen sollten.«
    »Da haben wir eben Pech gehabt«, meinte Paul. »Unser erster Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation, und sie kommen daher wie die Zeugen Jehovas.«
    »Bisher hat er aber noch keine Traktate verteilt«, sagte ich.
    »Wart’s ab«, flüsterte Gary. »Eines Tages, wenn dieser verdammte Sturm tatsächlich mal nachlässt, werden wir vier erschöpft auf den Gipfel stolpern und nach Luft schnappen, die nicht da ist, übersät mit Frostbeulen, und dann wird diese Wanze ihre Exemplare vom Mantispa- Wachtturm zücken.«
    »Sch-scht!«, machte Paul. »K kann uns hören.«
    In diesem Augenblick traf der Wind so heftig auf das Zelt, dass wir unwillkürlich die Fingernägel in den Zeltboden aus Hyperpolymer bohrten, damit das

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