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Helix

Helix

Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Meer herumflatterten und tanzten. Was, zum Teufel, mochte Kanakaredes davon halten? Ob er die Tiere für etwas hielt, das in dieser Höhe jeden Tag vorkommen konnte? Nun, vielleicht traf das ja sogar zu. Wir Menschen waren nicht oft genug hier oben, um es zu wissen. Ich schüttelte den Kopf, setzte die Füße um und rammte den Eispickel in den unglaublich steilen Hang.
    Am Spätnachmittag, als die Sonnenstrahlen schon waagerecht einfielen, kamen wir vier von dem rasiermesserscharfen Grat am oberen Ende der Traverse herunter. Der Grat fiel auch hier noch erschreckend steil ab, doch es gab eine kleine Fläche, auf der wir stehen und zu unseren Fußabdrücken im Schnee zurückblicken konnten. Selbst nach den langen Jahren der Bergsteigerei konnte ich kaum glauben, dass wir diese Spuren hatten machen können.
    »Hey!«, rief Gary. »Ich bin ein Riese!« Er wedelte mit den Armen und starrte nach Sinkiang und zum Godwin-Austen-Gletscher, der Meilen unter uns lag.
    Die dünne Luft setzt ihm zu, dachte ich. Wir müssen ihn ruhig stellen und im Schlafsack festbinden und nach unten schleppen wie einen Wäschesack.
    »Komm schon!«, rief Gary in der dünnen, kalten Luft zu mir herüber. »Sei auch mal ein Riese, Jake.« Er wedelte weiter mit den Armen. Ich drehte mich um und sah hinter mich. Auch Paul und Kanakaredes hüpften und wedelten mit den Armen. Es war ein interessanter Anblick, K mit seinen sechs Insektenbeinen gleichzeitig zappeln zu sehen. Seine Gelenke klappten um, und die knochenlosen Finger wackelten wie Raupen.
    Die sind alle verrückt geworden, dachte ich. Sauerstoffmangel. Typische Symptome. Dann sah ich in östlicher Richtung nach unten.
    Unsere Schatten sprangen Meilen über den Gletscher und die benachbarten Berge hinweg. Ich hob die Arme, ließ sie wieder sinken. Mein Schatten auf dem dunklen Hang hob und senkte Schattenarme, die gut und gern zehn Meilen groß waren.
    Damit beschäftigten wir uns – wir sprangen und riefen und winkten –, bis die Sonne im Westen hinter dem Broad Peak unterging und unsere Riesenschatten sich auflösten.
     
     
    Camp Sechs – ein schmaler Absatz an der Schneekuppel unter der Gipfelpyramide, 26.200 Fuß
     
    Jetzt gibt es keine Unterhaltungen mehr, keine Gespräche und keine Lieder. Wir springen nicht herum, wir rufen nicht und winken nicht. Hier oben gibt es nicht genügend Sauerstoff, um zu atmen oder zu denken, ganz zu schweigen davon, irgendwelchen Unfug anzustellen.
    Es gab in den letzten drei Tagen, als wir das restliche Stück des breiter werdenden Nordostgrats bis zu der riesigen Schneekuppel hinaufstiegen, praktisch keine Unterhaltungen mehr. Dann stiegen wir über die Schneekuppel. Das Wetter blieb ruhig und klar – unglaublich für diese Jahreszeit. Nach dem Sturm, der uns im Camp Drei festgenagelt hatte, lag der Schnee hoch, doch wir wechselten uns mit dem Spuren ab – was schon auf 10.000 Fuß anstrengend ist, wird bei über 25.000 Fuß eine Herkulesaufgabe.
    Am Abend machten wir uns nicht einmal mehr die Mühe, unsere Zelte zu koppeln – wir benutzten unsere eigenen Segmente wie große Biwaksäcke. Wir bereiteten nur eine warme Mahlzeit am Tag zu – eine extrem nahrhafte Suppe auf dem einzigen Ofen, den wir noch hatten (den anderen hatten wir direkt hinter der steilen Traverse zurückgelassen, dazu alles andere, von dem wir glaubten, dass wir es in den letzten drei oder vier Tagen des Aufstiegs nicht brauchen würden). Am Abend kauten wir kalte Konzentratriegel, bevor wir für ein paar Stunden in einen fröstelnden, unruhigen Halbschlaf sanken. Um drei oder vier Uhr morgens standen wir wieder auf und kletterten im Schein der Lampen weiter.
    Wir Menschen hatten elende Kopfschmerzen und litten unter der Höhenkrankheit. Paul war am schlechtesten dran – vielleicht weil er sich schon beim ersten Versuch, die Traverse zu meistern, Frostbeulen zugezogen hatte. Er hustete schwer und bewegte sich schwerfällig. Sogar K war langsamer geworden. Auf diesem Abschnitt in großer Höhe kletterte er überwiegend auf zwei Beinen, manchmal brauchte er eine Minute oder länger, bevor er den nächsten Fuß aufsetzen konnte.
    Im Himalaja haben die meisten Berge Grate, die bis ganz oben zum Gipfel laufen. Nicht der K2. Nicht der Nordostgrat. Der Grat endete etwa 200 Fuß unter dem Gipfel vor einer mächtigen Schneekuppel.
    Wir stiegen über den Schneedom – langsam, halb bewusstlos, schleppend und einzeln. Hier gab es keine Seile und Sicherungen mehr. Wenn hier jemand in

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