Helix
die Remington. Als ich ging, ließ ich kein Geld auf der Theke liegen. Ich hatte das Gefühl, der Besitzer werde nicht zurückkehren, und selbst wenn, wäre ich wohl nicht mehr in der Nähe.
Dann fuhr ich zu dem kleinen Schnapsladen an der 28 th Street zurück, doch die Regale waren leer. Die Hunderte Flaschen, die ich vor drei Stunden noch dort gesehen hatte, waren einfach verschwunden. Das Gleiche galt für die vier anderen Schnapsläden, bei denen ich es versuchte.
»Du Miststück«, sagte ich zu der verlassenen Straße.
An einem Parkplatz klingelte ein Telefon in einem altmodischen Glashäuschen. Es klingelte weiter, während ich die 38er Police Special aus der Kiste nahm, die gelbe Schachtel öffnete und langsam die Kammern lud. Als ich das Telefon mit dem dritten Schuss voll erwischte, hörte das Klingeln auf.
Auf der anderen Straßenseite klingelte ein anderes Telefon.
»Hör zu, du kleines Miststück«, sagte ich, als ich abnahm, »ich spiele dein Spiel mit, wenn du mir etwas zu trinken lässt.«
Dieses Mal rechnete ich damit, dass Gott sich am anderen Ende meldete.
»Finden Sie mich und halten Sie mich auf, dann bekommen Sie so viel Schnaps, wie Sie wollen, Mr. Jakes«, sagte Kelly Dahl.
»Und alles wird wieder sein, wie es früher war?« Ich sah mich um, während ich sprach, und rechnete schon halb damit, sie weiter unten auf der Straße in einer anderen Telefonzelle zu entdecken.
»Yep«, erwiderte Kelly Dahl. »Sie können sogar wieder in die Hügel rauf und noch einmal in den Bergwerksschacht fahren, und beim nächsten Mal werde ich Sie nicht stören.«
»Dann bin ich tatsächlich dort hineingefahren? Bin ich tot? Bist du meine Strafe?«
»Mu«, sagte Kelly Dahl. »Erinnern Sie sich an die anderen beiden Ausflüge in der Öko-Woche?«
Ich musste überlegen. »Die Wasseraufbereitungsanlage und die Trail Ridge Road?«
»Sehr gut«, sagte Kelly Dahl. »Sie finden mich am höheren der beiden Punkte.«
»Laufen die Straßen denn weiter nach Westen …«
Ich sprach mit dem Freizeichen.
3
PALIMPSEST
Am Tag, als ich Kelly Dahl in der Nähe von Ward in den Bergen traf, hätte sie mich fast getötet. Ich hatte mich an meine Ausbildung im Vietnamkrieg erinnert und einen Hinterhalt gelegt. Geduldig wartete ich an der Stelle, wo die Straße sich aus dem Left Hand Canyon zum Peak to Peak Highway hinaufwand. Es gab in dieser Region der Front Range nur drei Wege, um zur Kontinentalscheide zu gelangen, und ich wusste, dass Kelly Dahl den kürzesten nehmen würde.
In der alten Feuerwache von Ward hatte ich eine Kettensäge gefunden. Der Ort selbst war natürlich verlassen. Aber auch bevor Kelly Dahl mich in diese Welt entführt hatte, hatten nie mehr als hundert Leute in Ward gelebt, die meisten davon übrig gebliebene Hippies aus den Sechzigerjahren. Die alte Bergarbeitersiedlung hatte sich in eine Schutthalde von verlassenen Autos, halb zu Ende gebauten Häusern, Holzstapeln, Müllhaufen und Außentoiletten verwandelt. Ich legte den Hinterhalt in der Serpentine über der Stadt, fällte zwei Ponderosakiefern, um die Straße zu blockieren. Dann wartete ich im Espenwald.
Kelly Dahls Bronco kam am Spätnachmittag die Straße herauf. Sie hielt an, stieg aus, betrachtete die gefällten Bäume und dann mich, als ich hinter einem Baum hervorkam und auf sie zuging. Das Remington-Gewehr hatte ich zurückgelassen, die 38er steckte unter der Jacke im Hosenbund, das Kabar-Messer blieb in der Scheide.
»Kelly«, sagte ich, »lass uns reden.«
Worauf sie, bevor ich noch ein weiteres Wort sagen konnte, in den Bronco langte, einen Bogen herausholte, der aus irgendeinem dunklen Kompositmaterial bestand, einen Pfeil einlegte und schoss. Es war ein Jagdpfeil mit gekerbter Spitze, um dem Opfer möglichst schwere Verletzungen zuzufügen. Er flog unter meinem linken Arm durch, riss mir die Jacke auf, zerfetzte die Haut an der Innenseite meines Arms und auf der Brust und blieb ein paar Zentimeter hinter mir in einer Espe stecken.
Einen Moment lang war ich angenagelt wie ein Käfer auf dem Tablett eines Sammlers, und ich konnte nur fassungslos starren, während Kelly Dahl den zweiten Pfeil einlegte. Ich hatte keinen Zweifel, dass dieser mein Brustbein treffen würde. Bevor sie den zweiten Pfeil fliegen lassen konnte, tastete ich nach dem Gürtel, zog die 38er, gab aufs Geratewohl einen Schuss ab und sah, wie sie hinter dem Bronco in Deckung ging. Ich befreite mich aus den Überresten meiner Jacke und sprang hinter die
Weitere Kostenlose Bücher