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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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auffressen.
    »Was suchen wir denn eigentlich?« fragt Sotiris, der mich nicht aus den Augen läßt.
    »Kinderspielzeug oder Kinderkleidung! Wie oft soll ich das noch erklären?« belle ich zurück.
    Ich nehme die Kleidungsstücke der jungen Frau vom Haken und lasse sie auf den Boden fallen, dann taste ich sie mit meinem Schuh ab. Möglicherweise haben wir irgend etwas zwischen der Wäsche übersehen. Doch es handelt sich bloß um eine Hose, eine Bluse und ein Paar Socken. Ich werfe einen Blick auf die Kleidungsstücke des Mannes, die noch immer neben der Matratze liegen. Er hatte auch nur ein einziges Hemd, eine Hose und ein Paar Socken. Und die Schuhe der beiden natürlich. Pumps für sie und Schnürschuhe für ihn. Hatten sie denn gar keine Unterwäsche zum Wechseln? Gut, sie kommen nur mit dem, was sie am Leibe tragen. Doch ich hatte mir das nicht so wortwörtlich vorgestellt. Ich schaue mir alles an und überlege, was es bedeuten könnte.
    »Hilf mir mal, die Matratze hochzuheben«, sage ich zu Sotiris.
    Wir packen sie an beiden Enden und halten sie etwas nach oben gebogen über dem Boden fest. Darunter schrecken wir drei Kakerlaken auf, die aufgeregt auf dem nackten Zement hin- und herlaufen. Einer ist etwas zu langsam, und ich trete ihn tot. Den beiden anderen gelingt die Flucht. Das sind alles in allem die Früchte unserer Hausdurchsuchung: ein Kakerlak tot und zwei flüchtig.
    »Gehen wir«, bedeute ich Sotiris erleichtert und lasse die Matratze wieder fallen. Da wir nichts aufgetrieben haben, wird wohl auch nichts zu finden sein.
    »Einen Augenblick noch, ich muß schnell auf die Toilette.«
    »Paß bloß auf dein Vögelchen auf, daß du dir keinen Tripper holst und ich dich dann auf Kur schicken muß.«
    Ich öffne die Tür und trete hinaus. Die Dicke baut sich vor mir auf und blickt mir ins Gesicht. »Ihr sucht wohl immer noch, was?« forscht sie in vertraulichem Tonfall. Gleich lädt sie uns zum Kaffeekränzchen ein, um uns auszuhorchen.
    »Was kümmert Sie denn das? Ab nach Hause, gute Frau!« knurre ich sie an. Einerseits, weil ich genervt bin, andererseits, weil ich an unsere Rückfahrt durch das Athener Zentrum denken muß.
    Nach all den höflichen Lobreden, die sie in meinem Büro wegen ihrer Beobachtungsgabe eingeheimst hat, ist sie nun etwas vor den Kopf gestoßen. Sie wirft mir einen wutentbrannten Blick zu, macht prompt kehrt, um sich gleich darauf schwankend wie ein überladener Lastwagen zu entfernen.
    Auf einmal kommt mir ein Gedanke. »Kommen Sie doch noch mal her!« rufe ich.
    Sie bleibt einen Augenblick unentschlossen stehen und denkt nach, während sie mir noch den Rücken zuwendet. Dann dreht sie sich um und kommt auf mich zu. Der beleidigte Ausdruck ist jedoch noch nicht aus ihrem Gesicht gewichen.
    »Sagen Sie mal, wissen Sie vielleicht, ob die beiden Albaner Kinder hatten?«
    »Kinder?« wiederholt sie, und die Frage läßt sie die vorangegangene Beleidigung ganz vergessen. »Nein … Wenn sie hierherkamen, habe ich sie nie mit Kindern gesehen.«
    »Was soll das heißen?« frage ich überrascht. »Haben sie denn nicht ständig hier gewohnt?«
    »Sie sind immer nur ein paar Tage hiergewesen, dann waren sie wieder eine Woche lang weg. Als ich die Frau nach dem Grund fragte, meinte sie einmal, sie sei bei ihren Schwiegereltern in Jannina gewesen, dann wiederum, sie sei nach Albanien gereist, weil ihr Vater krank war …«
    Deshalb also haben wir keine Wäsche zum Wechseln gefunden. Weil sie einmal hier und einmal woanders wohnten, die armen Schlucker. Ich versuche mir gerade vorzustellen, was das wiederum zu bedeuten haben könnte, als ich Sotiris’ Stimme vernehme.
    »Herr Kommissar, kommen Sie einen Moment herein!?«
    Ich kehre wieder in das Haus zurück. Sotiris steht in der Mitte des Raumes. Sobald er mich erblickt, geht er wortlos zur Toilette. Als ich eintrete, steht er vor der Kloschüssel. Ein scharfer, brennender Gestank steigt mir in die Nase und bringt mich zum Niesen. Die Kloschüssel ist nackt, ohne Plastikbrille. Ein eingetrockneter kegelförmiger Rest Kacke ist in ihrer Mitte klebengeblieben. Er sieht wie das Gehäuse einer riesigen Schnecke aus. Am oberen Rand der Kloschüssel sind Schuhabdrücke zu erkennen. Wer hier seine Notdurft verrichtete, hockte sich demnach zusammengekauert darauf. Albanischer Brauch des Kackens. Der Spülkasten gehört zu der Sorte, die wie ein runder Durchlauferhitzer aussieht und oberhalb der Kopfhöhe angebracht wird. Um die Spülung zu

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