Helle Barden
sein Gehirn für unmöglich
hält. Seine Wangen röteten sich.
»Gaspode« entfuhr es Angua auf Hundisch.
»Keine Sorge, ich kenne mich aus mit solchen Dingen«, lautete die
Antwort. »Ein Mann, eine Frau. Es ist praktisch Schicksal.«
»Ich muß jetzt gehen«, sagte Angua.
»Äh. Bitte bleib…«
»Nimm sie in die Arme«, ließ sich Gaspode vernehmen.
Es geht nicht gut, fuhr es Angua durch den Sinn. Es kann nicht gutge-
hen. Werwölfe brauchen die Gesel schaft anderer Werwölfe, weil nur sie
verstehen…
Da sie aber ohnehin weglaufen mußte…
Sie hob die Hand.
»Einen Augenblick«, sagte sie, griff unters Bett und packte Gaspode im
Genick.
»Du brauchst mich!« winselte der Hund, als Angua ihn zur Tür trug.
»Er hat doch überhaupt keine Ahnung. Seine Vorstel ung von Vergnü-
gen besteht darin, dir den Koloß von Morpork zu zeigen. Laß mich…«
Die Tür fiel ins Schloß, und Angua lehnte sich dagegen.
Vermutlich endet es genauso wie in Pseudopolis und Quirm und…
»Angua?« fragte Karotte.
Sie drehte sich um.
»Sag nichts«, kam sie ihm zuvor. »Dann klappt’s vielleicht.«
Nach einer Weile quietschten die Federn des Bettes.
Noch etwas später bewegte sich die Scheibenwelt für Korporal Karot-
te. Und sie wol te gar nicht wieder zur Ruhe kommen.
Korporal Karotte erwachte gegen vier Uhr, zu jener geheimen Stunde,
die nur den Bewohnern der Nacht bekannt ist: Verbrechern, Polizisten
und anderen Außenseitern. Er drehte sich auf seiner Hälfte des schmalen
Bettes um und starrte an die Wand.
Es lag zweifellos ein sehr interessantes Erlebnis hinter ihm.
Er verdiente es tatsächlich, als schlicht und einfach beschrieben zu
werden, doch das durfte man nicht mit Dummheit verwechseln: Er
kannte die mechanischen Aspekte dieser Angelegenheit. Er hatte verschiedene junge Damen kennengelernt und mit ihnen weite, gesunde Spazier-
gänge zu den vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt unternommen – selt-
samerweise erlahmte das Interesse seiner Begleiterinnen regelmäßig nach
einer gewissen Zeit. Er hatte auch im Bereich der Bordelle patrouilliert, der bald einen neuen Namen bekommen sol te: Frau Palm und die Gilde
der Näherinnen wollten ihn vom Patrizier in »Straße käuflicher Zunei-
gung« umbenennen lassen. Bisher war er nicht imstande gewesen, zwi-
schen den ihm dort bekannten Frauen und sich selbst eine direkte Bezie-
hung, welcher Art auch immer, zu erkennen.
Jetzt sah die Sache anders aus.
Karotte überlegte, ob er seinen Eltern darüber schreiben sol te. Er ent-
schied sich schließlich dagegen. Mit an Sicherheit grenzender Wahr-
scheinlichkeit wußten sie über diese Dinge Bescheid.
Er schlüpfte aus dem Bett. Wegen der zugezogenen Vorhänge war es
drückend heiß im Zimmer.
Hinter ihm rutschte Angua in die Mulde, die sein Körper hinterlassen
hatte.
Er hob beide Hände und schob energisch die Vorhänge beiseite. Das
weiße Licht des Vol monds perlte herein.
Hinter ihm seufzte Angua im Schlaf.
Gewitterwolken schwebten über der Ebene. Karotte beobachtete, wie
Blitze aus ihnen herabzuckten, und er roch Regen. Doch die Luft in der
Stadt blieb unbewegt und schwül. Angesichts des bevorstehenden Un-
wetters schien sie noch heißer zu sein.
Vorn ragte der Kunstturm auf. Karotte sah ihn jeden Tag. Er domi-
nierte die halbe Stadt.
Hinter ihm machte das Bett Kloing.
»Ich glaube, wir…«, begann Karotte und drehte sich um.
Er nahm nicht mehr wahr, daß sich der Mondschein oben auf dem
Kunstturm in einem metallenen Objekt spiegelte.
Feldwebel Colon saß auf der Bank vor dem Wachhaus, um ein wenig
kühlere Luft zu atmen.
Drinnen klopfte und pochte es immer wieder. Vor zehn Minuten war
Knuddel gekommen, mit Werkzeugen, zwei Helmen und jeder Menge
Entschlossenheit im Gesicht. Colon hatte nicht die geringste Ahnung,
woran der kleine Kerl arbeitete.
Erneut zählte er und hakte dabei die Namen auf der Liste ab.
Kein Zweifel. Inzwischen bestand die Nachtwache aus fast zwanzig
Personen. Es mochten sogar noch mehr sein. Detritus war inzwischen
richtig in Schwung und hatte weitere Rekruten vereidigt: zwei Menschen,
einen Troll und die Holzpuppe vor Korkensockes Kleidungsladen.*
Wenn es so weiterging, konnten sie bald wieder die alten Wachhäuser an
den Haupttoren besetzen, wie in der guten alten Zeit.
* Lange nach den hier geschilderten Ereignissen in Ankh-Morpork wurde daraus ein Volkslied, dessen Melodie manchmal gepfiffen und gelegentlich (falsch)
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