Hell's Angels (German Edition)
betrunken, dass ihnen die Konsequenzen egal waren.
Die Sache mit La Honda sprach sich bald auch bei anderen Angel-Chaptern herum. Ein Erkundungstrupp aus Oakland schaute sich das mal an und kam mit so enthusiastischen Berichten zurück, dass La Honda bald für Angels aus ganz Nordkalifornien zu einem Mekka wurde. Sie tauchten dort unangekündigt auf, meist in Gruppen von fünf bis fünfzehn Mann, und blieben, bis es ihnen zu langweilig wurde oder ihnen das LSD ausging, das vor dem Kontakt zu Kesey nur wenige von ihnen je probiert hatten.
Lange bevor die Outlaws La Honda entdeckten, sorgten die zügellosen Acid-Partys dort bereits für Besorgnis bei angesehenen LSD-Fachleuten – bei Psychiatern und anderen auf dem Gebiet der Verhaltensforschung tätigen Wissenschaftlern, die der Auffasung waren, die Droge solle nur bei »kontrollierten Experimenten« eingenommen werden, von sorgfältig ausgewählten Testpersonen und unter der ständigen Beobachtung erfahrener »Versuchsleiter«. Diese Vorsichtsmaßnahmen sollten verhindern, dass es zu schlechten Trips kam. Jeder potenzielle Psycho, der aus irgendeinem Grund beim Ausleseprozess durchgerutscht war, ließe sich schnell mit Tranquilizern stillstellen, sollte er Anzeichen von Blutgier zeigen oder
versuchen, sich den Kopf abzureißen, um besser hineinsehen zu können. 52
Die Befürworter kontrollierter Experimente glaubten, öffentliche LSD-Orgien würden sich desaströs auf ihre Forschungen auswirken. Es gab nur wenig Zuversicht hinsichtlich dessen, was passieren mochte, wenn sich die Angels – mit ihrem Faible für Schlägereien, Vergewaltigungen und Hakenkreuze – inmitten eines Haufens intellektueller Hipster, radikaler Marxisten und Friedensmarschierer wiederfanden. Es war eine Furcht einflößende Vorstellung, selbst wenn man davon ausging, dass alle nüchtern blieben – was natürlich nicht infrage kam. Und wenn dann alle betrunken, stoned und high waren, konnte keiner mehr objektiv Notizen machen, gab es keine Versuchsleiter, die Ausgeflippte sedieren und keine sachlichnüchternen Beobachter, die Brände löschen und Schlachtermesser verstecken konnten – keinerlei Kontrolle.
Leute, die regelmäßig zu Keseys Partys kamen, machten sich da weniger Sorgen als jene, die nur davon hörten. Die Enklave war nur in dem Sinne öffentlich, dass jeder, der Lust hatte, durch das Tor an der Brücke gehen konnte. Doch einmal drinnen, wurde jedem, der nicht die entsprechende Sprache beherrschte, bald sehr beklommen zu Mute. Acid-Freaks neigen nicht gerade zu wortreicher
Gastfreundschaft; sie starren Fremde an oder durch sie hindurch. Viele Gäste bekamen es mit der Angst und kamen nie wieder. Es blieben größtenteils Bohemiens, die einander ihrer gegenseitigen Abhängigkeit wegen nicht zum Ziel persönlicher Feindseligkeiten machten. Dafür gab es jenseits des Bachs immer noch die Bullen, die jeden Moment hereinstürmen konnten. 53
Doch selbst bei den Pranksters gab es hinsichtlich der Angels erhebliche Bedenken, sodass auf der ersten Party auffällig wenig LSD kursierte. Als dann aber die Gewaltandrohung vom Tapet zu sein schien, gab es mit einem Mal LSD in Hülle und Fülle. Die Angels probierten es zunächst nur vorsichtig und brachten nie eigenes mit, aber es dauerte nicht lange, bis sie dann auch in ihrem eigenen Revier Quellen dafür auftaten – sodass jeder Fahrt nach La Honda eine allgemeine Inspektion der Kapseln voranging, die sie zu Kesey mitnehmen würden, um sie dort gegen Geld oder gratis unter die Leute zu bringen.
Als die Outlaws LSD erst einmal als für sie interessante Sache anerkannten, stürzten sie sich mit dem unbekümmerten Eifer darauf, mit dem sie sich all ihren Vergnügungen widmen. Zuvor war man sich in jenem Sommer noch einig gewesen, dass man von Drogen, die so stark waren, dass sie einen Mann nach ihrer Einnahme unfähig machten, noch Motorrad zu fahren, die Finger lassen sollte – aber als dann nach etlichen Partys bei Kesey
der allgemeine Widerstand in sich zusammensank, begannen die Angels, LSD zu schlucken, so oft sie welches in die Finger bekamen – und dank ihrer guten Kontakte auf dem Drogenmarkt war das nicht gerade selten. Einige Monate lang schränkte allein chronische Geldnot ihren Konsum ein. Hätten sie ungehinderten Zugang zu Acid gehabt, dann hätte sich wahrscheinlich die Hälfte der Angels, die es damals gab, binnen weniger Wochen das Gehirn damit püriert. Und auch so überstieg ihr LSD-Konsum jedes
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