Hell's Angels (German Edition)
jüngeren eine Art Demenzschönheit an sich
haben, die so schnell verblüht, dass man schon im Laufe einiger Monate selbst dabei zugesehen haben muss, um es als tragisch zu empfinden. Sobald sich diese Frauen erst einmal die entsprechende Einstellung zugelegt haben, fällt es leicht, sie als selbstverständlich hinzunehmen. Als den Angels eines Abends in Sacramento das Geld für Bier ausging, beschlossen sie, Mama Lorraine in einer Kneipe meistbietend zu versteigern. Das Spitzengebot betrug zwölf Cent, und das Mädchen lachte darüber mit den anderen. Ein andermal hatte Magoo Mama Beverly auf einer Fahrt nach Bakersfield dabei, als ihm das Benzin ausging. »Ob du’s glaubst oder nicht«, erinnert er sich, »ich habe keinen einzigen Tankwart gefunden, der mir eine Gallone Benzin dafür geben wollte, dass er mal über sie drüberrutschen durfte.« Die Zeitungen sind voller Aussagen von Männern, die stolz darauf sind, dass sie ihre »Begabungen teuer verkauft« haben, aber Menschen, denen klar ist, dass ihre einzige Begabung nicht einmal fünfzehn Cent oder eine Gallone Benzin wert ist, werden eher selten zitiert. Und sie hinterlassen normalerweise auch keine Tagebücher. Es wäre interessant, irgendwann einmal zu erfahren, was es für ein Gefühl ist, wenn man versteigert wird, willens, wirklich alles mitzumachen, und dann nur zwölf Cent einbringt.
Die meisten Mamas denken nicht darüber nach und sprechen schon gar nicht darüber. Ihre Gespräche kreisen um Klatsch und plumpe Zweideutigkeiten, Erwiderungen auf Spott und Gefeilsche um kleine Geldbeträge. Hin und wieder aber gibt auch eine von ihnen etwas Eloquentes von sich. Donna, eine stämmige, gutmütige Brünette, die mit dem Exodus aus Berdoo nach Norden kam, fasste die ganze Sache einmal prägnant zusammen. »Jeder glaubt
an irgendwas«, sagte sie. »Manche Leute glauben an Gott. Ich glaube an die Angels.«
Jedes Chapter hat ein paar Mamas, aber nur Oakland verfügt immer über fünf oder sechs. Bei anderen Outlaw-Clubs sieht es unterschiedlich aus. Die Gypsy Jokers sind nicht so Mama-orientiert wie die Angels, aber die Satan’s Slaves nehmen die Angelegenheit so ernst, dass sie mit ihren Gemeinschaftsfrauen in ein Tätowierstudio gehen und ihnen »Eigentum der Satan’s Slaves« auf die linke Gesäßbacke brennen lassen. Die Slaves sind der Meinung, dass dieses Branding den Mädels ein Gefühl der Sicherheit und Zugehörigkeit vermittele. Akzeptanz in der Gruppe ist anschließend keine Frage mehr. Die mit dem Brandmal versehene Person empfindet angeblich augenblicklich ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit zu der Organisation, und die wenigen, die diesen Schritt unternommen haben, bilden eine besondere Elite. Die Angels neigen nicht dazu, ihre Frauen mit einem Branding zu versehen, werden diesen Brauch aber wahrscheinlich eines Tages übernehmen, denn einige von ihnen finden, es habe »echt Klasse«. 35
»Aber man braucht dafür die richtigen Mädchen«, sagte eine. »Der muss es wirklich ernst damit sein. Manche Mädels taugen nicht dafür. Ich meine, wer will denn schon zum Kinderarzt gehen mit einer fetten Tätowierung
von wegen, dieser Arsch gehört den Satan’s Slaves? Oder was ist, wenn das Mädel mal irgendwann aussteigen und heiraten will? Mann, stell dir mal die Hochzeitsnacht vor. Sie lässt ihr Nachthemd fallen, und da ist es. Wow!«
Es waren etwa zwanzig Slaves in Bass Lake dabei, die aber meist unter sich blieben. Sie suchten sich ein Plätzchen auf der Lichtung, stellten ihre Motorräder rundherum ab und verbrachten dann das Wochenende größtenteils damit, dort mit ihren Frauen herumzuliegen und ihren eigenen Wein zu trinken. Die Gypsy Jokers hatten da weniger Hemmungen, verhielten sich in der Gegenwart so vieler Hell’s Angels aber eigenartig zahm. Im Gegensatz zu den Slaves hatten nur wenige Jokers Mädels mitgebracht, und so ersparten sie sich die ständige Sorge, irgendein Angel auf einem Pillentrip könnte versuchen, ihnen auf den Leib zu rücken und eine Schlägerei zu provozieren, welche die Angels dann gewinnen mussten. Theoretisch sind die Hell’s Angels allen anderen Outlaws freundlich gesinnt, aber in der Praxis gerät das halbe Dutzend Angel-Chapters auf fremdem Terrain immer wieder mit diversen Clubs aneinander. In San Francisco hegen die Jokers und die Angels eine langjährige Feindschaft gegeneinander, doch anderswo kommen die Jokers mit anderen Angel-Chapters bestens klar. Ähnlich sah die Lage jahrelang in der
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