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Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Titel: Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herder
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Liebesbeziehungen, von Kinderkriegen und Verhütung „gar keine Ahnung“ (Originalton Schmidt). So denken viele, auch viele Politiker, doch keiner spricht es aus. „Jenes schlichte und gerade deshalb sehr wirksame Prinzip zu sagen, was ist – es fehlt weithin in der politischen Klasse Deutschlands, und dieser schmerzliche Mangel inmitten all der unverbindlichen Talkshow-Geschwätzigkeit ist es“, so Mohr, „der beinah jeden öffentlichen Auftritt von Schmidt zum politischen Kontrastprogramm und damit zum Ereignis macht.“
    Im Jahr 2009 veröffentlicht „Spiegel Geschichte“ anlässlich des 60. Geburtstages, den die Bundesrepublik Deutschland feiert, eine „Rangliste des Ruhms“: Leserinnen und Leser sollten in einer Umfrage die „wichtigsten Deutschen“ nennen – Persönlichkeiten, die ihrer Meinung nach in der Bundesrepublik oder in der DDR eine bedeutende Rolle gespielt haben.
    Das Ergebnis war für die „Spiegel Geschichte“-Redakteure ein Schock: Helmut Kohl belegte Platz eins – ausgerechnet der Mann, der den „Spiegel“ jahrzehntelang ignorierte und der Zeitschrift kein Interview gegeben hat. Den Ausschlag für diese Erstplatzierung gaben Befragte aus Ostdeutschland, die Kohl für das beherzte Eintreten für die Vereinigung dankten. Platz zwei erreichte Konrad Adenauer, den viele Westdeutsche als den ruhmreichsten Deutschen erachteten. Helmut Schmidt landete immerhin auf dem dritten Platz, gefolgt von Willy Brandt und Erich Honecker. Schmidtfans mochten sich darüber freuen, dass „ihr“ Mann wenigstens noch auf das olympische Treppchen gelangt war.
    Die „Spiegel Geschichte“-Redaktion musste das vom Institut TNS Forschung ermittelte Ergebnis akzeptieren. Doch ließ sie eine intellektuelle Wölfin und Kohl-Kritikerin, die Buchautorin und Journalistin Thea Dorn, von der Leine, die heftig auf die Deutschen und ihre Urteilskraft schimpfte. In ihrem Kommentar findet sie es an der Zeit, „nach Figuren Ausschau zu halten, die über ein zeitgemäßes republikanisches Pathos verfügen, den Bürgern keine vollen Tische versprechen und gleichzeitig ahnen, dass die Haushaltskasse leer ist“. Helmut Schmidt, Gewinner der Bronzemedaille, tut genau das, aber er ist zu dieser Zeit leider schon 90.
    Die Bronzemedaille von Helmut Schmidt war „Spiegel Geschichte“ einen eigenen Beitrag wert. „Spiegel“-Redakteur Norbert F. Pötzl interviewt Klaus Bölling, der mit 80 noch einmal die Rolle seines Lebens spielt, den Regierungssprecher von Bundeskanzler Helmut Schmidt: „Seine diagnostischen Fähigkeiten sind schon erstaunlich.“ Auch Pötzl vertritt die These, dass sich nicht Helmut Schmidt, sondern die Welt um ihn herum geändert habe. Helmut Schmidt verkünde noch immer seine Therapien – diewürden nur dieser Tage allem Anschein nach besser aufgenommen als in früheren Zeiten.
    „Der Sozialdemokrat war nicht immer so populär wie heute. (…) Mittlerweile ist die Nation mit seiner Politik versöhnt und hängt an seinen Lippen“, führt die „Süddeutsche Zeitung“ 2010 in ein Interview mit Helmut Schmidt ein, ein Jahr nach dessen rundem Geburtstag. „Schmidt beherrscht die Gabe, jedem Wort eine höhere Weihe zu geben. Die Zigarette wird dabei rituell eingesetzt.“
    „Warum genießen ein 91-jähriger Kettenraucher und ein Fußballtrainer mehr Ansehen als die Kanzlerin und der Papst?“, fragt „Spiegel Online“-Redakteur Alexander Smoltczyk im Sommer 2010. Der „Spiegel“ hat wieder einmal eine Umfrage darüber erhoben, wem das meiste Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger gilt. Demnach verkörpert Helmut Schmidt für 83 Prozent der Bundesbürger das Deutschland, das sie sich wünschen. Und er genießt die höchste Achtung als moralische Instanz. Der „Spiegel“ staunt darüber, dass Helmut Schmidts Eigenschaften, für die er in seiner politisch aktiven Zeit „gehasst“ wurde, „seine Arroganz, seine fischige Kälte und Nüchternheit“, eine Generation später so hoch geschätzt werden.
    Ungebrochenes Selbstbewusstsein beweist Helmut Schmidt mit der Wahl der Textgattung für sein Buch „Außer Dienst“. Er wählt die literarische Form des Fürstenspiegels, ein bereits seit Langem aus der Mode gekommenes Genre. Bekannte Fürstenspiegel-Verfasser sind Xenophon, Thomas von Aquin oder Erasmus von Rotterdam. Auch Marc Aurel gehört mit seinen „Selbstbetrachtungen“ dazu, ein Buch, das Helmut Schmidt zur Konfirmation geschenkt bekam und das ihm lebenslang wichtig bleibt.
    Mit

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