Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
antwortete dieser: mit einem »Stromkabel«. Ich konnte mir ein Aufstöhnen gerade noch verkneifen. Denn die Elektrodrähte waren um den Hals der LaBianca-Opfer geschlungen worden. Er wurde nun gebeten, sich das Foto ein wenig genauer anzusehen. Doch in seinen Augen waren es immer noch Kabel. Zu guter Letzt musste ich Katsuyama seine eigenen Autopsienotizen zeigen, in denen er geschrieben hatte: »Die Hände sind mit einem ziemlich dünnen Lederriemen zusammengebunden.«
Roxie Lucarelli, ein Beamter der Polizei L. A. und ein alter Freund von Leno, identifizierte die Opfer anhand von Fotos der LaBiancas, da Suzanne und Frank Struthers von ihrem Tod immer noch zu erschüttert waren, um vor Gericht zu erscheinen. Sergeant Danny Galindo legte dar, was er in der Nacht vom 10. auf den 11. August 1969 im 3301 Waverly Drive vorgefunden hatte, und gab an, dass eine Durchsuchung des Hauses keinen Aufschluss über den Verbleib von Rosemary LaBiancas Portemonnaie gegeben habe.
Von den fünf Mädchen, die wir aus Independence hergebracht hatten, verweigerte Catherine Share alias Gypsy die Aussage, und Leslie Van Houten hatten wir nicht in den Zeugenstand gerufen, da wir jetzt wussten, dass sie zu den LaBianca-Mördern gehörte. Die drei Übrigen – Dianne Lake alias Snake, Nancy Pitman, alias Brenda und Ruth Ann Moorehouse alias Ouisch – leugneten alle, etwas von den Morden gewusst zu haben.
Damit hatte ich gerechnet, doch ich hatte einen guten Grund, sie aufzurufen. Denn wenn sie im Prozess als Zeugen der Verteidigung erschienen, würde mir jeder Widerspruch zwischen dem, was sie jetzt vor dem Großen Geschworenengericht sagten, und dem, was sie später im Prozess aussagen würden, die Möglichkeit geben, auf eine widersprüchliche Aussage hinzuweisen und ihre Aussage anzufechten.
Um 16.17 Uhr zog sich das Große Geschworenengericht des County Los Angeles zur Beratung zurück. Exakt 20 Minuten später wurde Anklage wegen folgender Einzeltatbestände erhoben: gegen Leslie Van Houten wegen zweifachen Mordes und wegen Verabredung zum Mord, gegen Charles Manson, Charles Watson, Patricia Krenwinkel, Susan Atkins und Linda Kasabian wegen siebenfachen Mordes und wegen Verabredung zum Mord.
Wir hatten also die Anklageerhebung erreicht, mehr aber auch nicht.
9. bis 12. Dezember 1969
Weder Aaron noch ich führten Buch über die eingehenden Anrufe, doch nach vorsichtiger Schätzung waren es über 100 am Tag, auf die wir meist nur mit der stereotypen Antwort reagierten: »Kein Kommentar.« Die Presse spielte verrückt. Auch wenn die Anklageschriften der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden waren, so blieb das Protokoll der Geschworenenentscheidung selbst »unter Verschluss«. Erst wenn die gerichtlichen Anklagetermine für jeden einzelnen Beschuldigten feststanden, sollten sie ungefähr acht bis zehn Tage vorher für die Öffentlichkeit freigegeben werden. Es ging das Gerücht, dass eine Zeitschrift sogar 10.000 Dollar geboten habe, nur um einen Blick in das Dokument zu werfen.
Aus Oregon rief ein gewisser Officer Thomas Drynan an. Er hatte Susan Atkins 1966 als Mitglied einer Bande verhaftet, die Raubüberfälle verübt hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie eine Pistole Kaliber .25 dabei. Sie hatte Drynan ins Gesicht gesagt, dass sie ihn erschossen hätte, wenn er nicht zuerst gezogen hätte. Beim gegenwärtigen Stand unserer Ermittlungen war eine solche Information zwar bedeutungslos, doch da die Chance bestand, dass sie später vielleicht von Nutzen sein konnte, notierte ich mir den Namen und die Telefonnummer.
Mein Büro im Justizgebäude maß sechs mal drei Meter, das Mobiliar bestand aus einem ramponierten Schreibtisch, einer wackeligen Liege, die ich mir für kurze Mittagsschläfchen hatte hineinstellen lassen, einem Aktenschrank, ein paar Stühlen und einem großen Tisch, auf dem sich gewöhnlich Protokolle und Beweisstücke türmten. Ein Reporter beschrieb das Dekor einmal als Chicago, Dreißigerjahre. Dabei konnte ich mich noch glücklich schätzen, denn die anderen Staatsanwälte mussten sich ihre Büros zu mehreren teilen. Wenn ich einen Zeugen zu befragen hatte, musste ich erst einmal alle anderen mehr oder weniger diplomatisch hinauskomplimentieren. Und dann war da noch das Telefon, das wir, da keiner von uns eine Sekretärin hatte, selbst bedienen mussten.
Jeder Tag brachte neue Enthüllungen mit sich. Bis jetzt waren noch keine sterblichen Überreste von Donald »Shorty« Shea gefunden worden, obwohl die
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