Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
das Volk des Bundesstaates Kalifornien. Ich lege absolutes Vertrauen in Sie, dass Sie es nicht enttäuschen werden.«
Nach der Mittagspause belehrte Richter Older die Geschworenen. Am Freitag, dem 15. Januar 1971, genau sieben Monate nach Prozessbeginn, verließen um 15.20 Uhr die Geschworenen den Gerichtssaal, um mit ihren Beratungen zu beginnen.
Die Geschworenen berieten den ganzen Samstag und nahmen sich dann den Sonntag frei. Am Montag schickten sie jemanden mit zwei Bitten heraus: Man solle ihnen einen Plattenspieler bringen, damit sie das White Album der Beatles spielen konnten, das vor Gericht zwar als Beweismittel eingeführt und eingehend diskutiert, aber nie vorgespielt worden war; und sie baten um Erlaubnis, das Haus von Sharon Tate und das der LaBiancas besuchen zu dürfen.
Nach ausgiebigen Besprechungen mit den Strafverteidigern gab Older der ersten Bitte statt, wies die zweite jedoch ab. Zwar gab er zu, dass auch er auf die Tatorte neugierig sei, da er sie nie gesehen hatte, entschied jedoch, dass solche Besuche darauf hinausliefen, den Fall von vorne aufzurollen, einschließlich Zeugenvernehmung, Kreuzverhör und so weiter.
Am Dienstag baten die Geschworenen darum, dass man ihnen Susan Atkins’ Briefe an ihre frühere Mitgefangene noch einmal vorlas. Dies wurde gemacht. Kein einziges Mal baten die Geschworenen darum, dass man ihnen die Zeugenaussagen selbst noch einmal vorlas, was bei einem Verfahren von dieser Reichweite und Komplexität wahrscheinlich noch nie vorgekommen war. Ich konnte nur vermuten, dass sie sich auf die umfangreichen Notizen verließen, die sich alle während der Verhandlungen gemacht hatten.
Mittwoch, Donnerstag, Freitag – es kamen keine weiteren Botschaften von den Geschworenen. Noch vor dem Wochenende berichtete die New York Times, die Geschworenen berieten schon zu lange und hätten sich vermutlich festgefahren.
Ich machte mir darüber keine Gedanken, denn ich hatte der Presse bereits mitgeteilt, dass ich die Geschworenen frühestens in vier oder fünf Tagen zurückerwarte und es mich auch nicht wundern würde, wenn sie anderthalb Wochen bräuchten.
Ebenso wenig machte ich mir Sorgen, dass wir unsere Klage vielleicht nicht gut genug begründet hatten.
Das Einzige, was mir Sorgen machte, war die menschliche Natur.
Zwölf Menschen, nach Herkunft, familiärem Umfeld und beruflichem Werdegang völlig verschieden, waren länger zusammen eingeschlossen als je zuvor Geschworene in der Rechtsgeschichte. Ich dachte viel an diese zwölf Personen. Ein Laienrichter gab bekannt, dass er über seine Erfahrungen ein Buch schreiben wolle, und einige der anderen Geschworenen machten sich Sorgen darüber, wie sie wohl dargestellt werden würden. Derselbe Mann wollte sich auch zum Sprecher wählen lassen und war, als er nicht einmal aufgestellt wurde, so pikiert, dass er ein, zwei Tage lang gemeinsame Mahlzeiten mit den anderen vermied. 91 Würde er – oder irgendein anderer der elf – wegen einer persönlichen Empfindlichkeit oder Kränkung die Beratungen blockieren? Ich wusste es nicht.
Tubick und Roseland hatten Töchter etwa im Alter von Sadie, Katie und Leslie. Würde das ihre Entscheidung beeinflussen, und wenn ja, wie? Auch das wusste ich nicht.
Im Wesentlichen aufgrund von Blicken, die sie bei den Gerichtsverhandlungen gewechselt hatten, kam das Gerücht auf, dass das jüngste Mitglied der Geschworenen, William McBride II., sich ein bisschen in die Angeklagte Leslie Van Houten verliebt hatte. Das war zwar nichts weiter als wilde Mutmaßung, doch in den langen Stunden, in denen die Presse auf ein Wort aus dem Beratungszimmer wartete, schlossen die Reporter Wetten darüber ab, ob McBride bei Leslie für Totschlag oder gar Freispruch stimmen würde.
Kurz nachdem ich dem Fall zugewiesen worden war, hatte ich so viel Informationen zu Charles Mansons Vorgeschichte angefordert, wie ich bekommen konnte. Wie ein großer Teil des Beweismaterials kamen diese Informationen nur stückweise zu mir. Erst nachdem die Anklage ihre Beweisaufnahme abgeschlossen hatte, bekam ich endlich die Unterlagen über die sieben Monate, die Manson in der Bundesjugendhaftanstalt in Washington, D. C., verbracht hatte. Waren mir die meisten Dinge inzwischen bereits bekannt, so überraschte mich eines doch sehr. Falls es stimmte, konnte dieser Punkt sehr wohl die Saat sein, die – von Hass, Furcht und Liebe genährt – zu Mansons monströser und grotesker Fixierung auf die schwarz-weiße Revolution
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