Helvetias Traum vom Glück (German Edition)
Papa genoss seinen Triumph. Es war sein grosser Tag. Er winkte mir mehrmals zu, ich solle runterkommen. Also holte ich eine Jacke und ging zur Einfahrt. Bevor ich bei ihm war, wurde er niedergestochen. Wissen Sie schon, wer ihn umgebracht hat, Herr Ferrari?»
«Wir tappen leider noch im Dunkeln. Wie war das Verhältnis zu deinem Vater?»
«Mein Verhältnis?» Er dachte lange darüber nach. «Er war mein Vater.»
«Ist das alles?»
«Früher ist alles anders gewesen. Er hatte Zeit für Conny und mich. Für Mam schon lange nicht mehr, doch für uns ist er immer da gewesen. Klingt kitschig, aber es ist so. Als er in die Scheisspolitik einstieg, veränderte sich alles. Auch unsere Beziehung. Ich sah ihn kaum noch. Ich glaube, er wusste nicht einmal mehr, was ich studiere und wie es mir geht. Er hat sich in den letzten Jahren total verändert, verlor jeglichen Realitätssinn und gierte nur noch nach Macht.»
«Er wusste immerhin von deiner Beziehung zu Irina Löffler.»
Andreas sah Nadine kurz an.
«Beziehung? Die billige Hure nutzte mich nur aus. Mehr war da nicht.»
«Ruedi Fink sieht das aber ganz anders.»
Andreas lachte wild.
«Natürlich sieht diese linke Sau das anders. Er war doch selbst scharf auf Irina, aber sie liess ihn abblitzen. Jetzt ist mir auch klar, wieso. Ruedi hat kein Geld. So einfach ist das. Und ich Idiot habe wirklich geglaubt, dass sie mich liebt. Dabei war sie nur auf mein Vermögen aus. Gefühle sind für diese Schlampe ein Fremdwort.»
«Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?»
«Das war … so Ende September, Anfang Oktober. Ich sagte ihr, dass ich sie liebe, dass ich mit ihr mein Leben verbringen möchte, und schlug vor, zusammen ins Ausland zu gehen. Irgendwohin, wo uns niemand kennt. Ihre Reaktion erwischte mich eiskalt. Sie fragte bloss, von was wir denn leben würden? Du verdienst nichts und ich will nicht mehr länger auf den Strich. Das waren deutliche Worte. Ohne Zaster keine Liebe! Ich bin wortlos weggerannt und habe sie nicht mehr gesehen.»
«Weisst du, wohin sie gegangen ist?»
«Nein. Sie rief mich wenig später nochmals an. Es sei doch alles ganz anders. Nicht so, wie ich denke. Sie wolle mich treffen, in Ruhe alles besprechen. Sie brauche mich und so weiter und so fort. Immer wieder die gleiche Leier. Nix da! Ich hatte abgeschlossen, sagte ihr, dass sie sich einen anderen verliebten Trottel suchen soll. Das hat sie anscheinend nicht wirklich kapiert, denn sie rief mich ein paar Wochen später mehrmals an und schickte unzählige SMS. Darauf habe ich erst gar nicht reagiert.»
«Kennst du Fritz Löffler?»
«Ein brutaler Typ. Er drohte mir, und an einem Abend schlug er mich am Rheinbord zusammen. Ich hatte keine Chance gegen den alten Sack. Das kam ihm aber teuer zu stehen.»
«Hast du ihn angezeigt?»
«Viel besser. Ich erzählte es Patrick. Wenig später hörte ich, dass Löffler mit einem gebrochenen Kiefer und einigen Zähnen weniger im Spital liegt.»
Ferrari nickte. Das konnte er sich sehr gut vorstellen. Weniger, dass Stolz selbst Hand angelegt hatte, eher dessen Gefolgschaft.
«Danach machte er jedes Mal einen grossen Bogen um mich, wenn ich Irina traf.»
«Du warst mit Ruedi, Bodo und Dagmar befreundet.»
«Auch so eine Enttäuschung. Die wollten mich nur aushorchen. Ruedi gehört zum Schwarzen Block, ist einer der Anführer. Zuerst habe ich mitgemacht. Ich kam mir super gross vor. Protest gegen Papas Politik! Rebellion in Reinkultur. Er ist … war mir zu weit rechts. Ich gab Ruedi einige Tipps, wo und wann geheime Veranstaltungen der EFP-Spitze stattfanden. Da tauchten sie dann auf und machten Krawall. Doch eines Tages ist mir klar geworden, dass Ruedi wie mein Papa ist. Absolut machtbesessen, mit dem Unterschied, dass ihm der nötige Zaster fehlt, um seine Ideen umzusetzen. Dagmar und die anderen sind seine Marionetten. Sie hängen an seinen Lippen und machen alles für ihn. Blindlings. Er ist für sie so eine Art Guru. Das habe ich ihm auch genauso gesagt. Seine Reaktion war eindeutig. Er wollte mich nicht mehr sehen und wiegelte sogar die anderen gegen mich auf. Mit Erfolg. Geben Sie Ruedi die Möglichkeit, zu herrschen, und er ist hundert Mal schlimmer als Papa. Ein extremer Kommunist. Alle Macht dem Volke oder besser alle Macht dem Guru Ruedi Fink.»
Ferrari trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Nadine sah ihn verärgert an. Hör auf damit! Das nervt.
«Glaubst du, dass die Alternativen in den Mord verwickelt sind?»
«Schon möglich.
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