Helvetias Traum vom Glück (German Edition)
dir noch einige wichtige Fragen stellen.»
Irina drückte auf einen Knopf seitlich am Bett, um das Kopfteil senkrecht zu stellen.
«Kennst du den Vater von Andreas?»
Sie nickte, ohne etwas zu sagen.
«Hast du ihn einmal gesehen? Oder mehrmals?»
«Mehrmals. Er ist kein guter Mensch, Nadine. Ganz anders als Andreas. Er ist einige Male bei mir gewesen, mit diesem Gorilla. Weisst du, mit dem, der keinen ganzen Satz sagen kann.» Sie äffte ihn nach. «Bin draussen, Boss. Trinke Kaffee.»
Ferrari lachte.
«Gute Imitation, Frau Löffler. Entschuldigen Sie die Frage, war Peter Weller ein Kunde von Ihnen?»
«Er … er … muss ich das sagen, Nadine?»
«Es wäre besser. Vielleicht kannst du uns mit deiner Antwort weiterhelfen.»
«Ich bin ihm zum ersten Mal im Sommer begegnet. Da war dieser Gorilla auch mit dabei. Das war, nachdem Fritz Andreas zusammengeschlagen hat. Peter kam zu mir, erklärte mir klipp und klar, dass er das Verhältnis zwischen Andreas und mir als beendet betrachte. Ich solle ihm den Preis dafür sagen. Meine Antwort war ebenso deutlich. Ich sagte ihm, er solle verschwinden. Das, was zwischen Andreas und mir sei, ginge ihn nichts an. Irgendwie schockte ihn das. Nicht das Verhältnis, meine ich. Sondern, dass jemand wie ich es wagt, sich gegen ihn aufzulehnen.»
«Wie ging es weiter?»
«Je abweisender ich wurde, desto öfters tauchte er bei mir auf. Es turnte ihn richtig an. Pervers. Plötzlich wollte er Sex. Er war ganz wild darauf und bot mir zweitausend Franken für eine Nacht.»
«Und, bist du darauf eingegangen?»
Sie hob den Kopf.
«Das ist viel Geld, Nadine. Er ist immer wieder gekommen, bettelte, flehte. Dann machte er mir ein Angebot. Er würde mich von Fritz loskaufen und mir ein Penthouse einrichten. Ich hätte keine Sorgen mehr. Einzige Bedingung war, niemand dürfte etwas davon wissen und ich müsste auf Andreas verzichten.»
Ein entsetzlicher Gedanke schoss Nadine durch den Kopf.
«Irina … das Kind, ist das Kind gar nicht von Andreas? Ist es von Peter Weller?»
Irina schaute Nadine traurig an.
«Ich gehe zwar auf den Strich, Nadine, und sehe tagtäglich in menschliche Abgründe, aber ich habe mir einen kleinen Rest von Selbstachtung bewahrt. Ich wies Peter ab. Das machte ihn rasend. Bei unserem letzten Treffen hat er dann sein wahres Ich gezeigt. Er drohte, mich fertig zu machen, sagte, ich sei ein Untermensch. Solche wie ich müssten ausgerottet werden. Und wenn er mich nicht kriege, dann sein Sohn erst recht nicht. Was mich denn so an diesem Versager fasziniere, wollte er wissen. Wahrscheinlich seien wir uns ähnlich, denn wir seien beide schwache Kreaturen. Ich bekam richtige Angst vor Peter … Aber das Baby ist von Andreas. Das schwöre ich, Nadine. Ich liebe Andreas!», die letzten Worte gingen in ein leises Schluchzen über. «Es … die Beziehung zwischen Andreas und mir war etwas Einzigartiges. Bei ihm fühlte ich mich total geborgen, ich konnte einfach mich selbst sein. Weisst du, Nadine, am schönsten war es immer unten am Rhein.»
«Hat dich die Streife deshalb dort gefunden?»
«Die Polizisten fanden mich auf der anderen Seite. Andreas und ich … wir sassen immer unterhalb der Helvetia im Kleinbasel. ‹Helvetia auf Reisen› ist faszinierend. Kennst du die Geschichte?»
«Ehrlich gesagt, nein.»
«Eines Tages verlässt sie das Zweifrankenstück, mischt sich unter die Leute und macht eine lange Reise. Nach einem anstrengenden Rundgang durch Basel stellt sie Schild, Speer und Koffer ab. Sie legt ihren Mantel über die Brüstung, ruht sich aus und blickt nachdenklich rheinabwärts. Ist das nicht wunderschön? Bei ihr fühlten wir uns richtig wohl, irgendwie aufgehoben, so als hielt sie ihr schützendes Schild über uns. Helvetia verstand uns, Nadine. Die Reise, die Sehnsucht, die Suche, der nachdenkliche Blick, genau wie bei Andreas und mir. Alle drei träumten wir von einem besseren Leben, von einer schönen Zukunft, von etwas Glück. Helvetias Traum vom Glück war auch unser Traum.»
Irina begann zu weinen.
«Unser Traum ist nicht in Erfüllung gegangen, Nadine. Nein, das ist er bei Gott nicht! Peter hat ihn zerstört, Peter … er ist nicht der Vater …»
Nadine setzte sich aufs Bett und streichelte ihr über die Wange.
«Entschuldige, Irina. Ich wollte dich nicht verletzen.»
«Schon gut, Nadine. Es hätte ja sein können. Viel hat nicht gefehlt. Die Versuchung war gross.»
«Hat Sie Peter Weller danach nicht mehr belästigt?», unterbrach
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