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Hemmersmoor

Hemmersmoor

Titel: Hemmersmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Kiesbye
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baute sich vor Anke auf. »Warum hast du dich so rausgeputzt?«, fragte er.
    »Weil meine Mutter mich nicht in Lumpen aus dem Haus gehen lässt«, sagte Anke schnippisch, doch schon hatte Friedrich sie zu Boden geschubst. »Dumme Ziege«, sagte er.
    Ich wusste, was ich meiner Freundin schuldig war und ohrfeigte Friedrich. Ich dachte, er würde zurückschlagen, aber er sah mich nur für einen Moment an, drehte sich dann um und rannte davon. »Friedrich«, rief ich ihm nach – ich fürchtete mich vor dem Zorn meines Vaters, sollte er herausfinden, was passiert war – aber er kam nicht zurück.
    *
    Als es am Abend Zeit war, nach Hause zu fahren, blieb es in unserem Lastwagen ganz still. Mein Vater schaute uns von Zeit zu Zeit von der Seite an, sagte aber keinen Ton. Ankes Kleid war ganz schmutzig, und ich konnte spüren, dass sie es bereute, mitgekommen zu sein. Sie hätte mit ihrer Mutter Plätzchen backen können, und stattdessen hatte sie jetzt Blasen an den Händen, hatte das Labyrinth langweilig gefunden, hatte keine Pferde sehen können, und vor allem hatte sie keinen Blick auf Rutger von Kamphoff werfen können.
    »Danke, Herr Janeke«, verabschiedete sich Anke artig und kühl, als wir sie zu Hause absetzten. »Willst du morgen zu mir kommen?«, fragte sie mich, als sie aus dem Laster kletterte. »Mein Vater wird den Baum mit uns schmücken.«
    »Geh nur«, sagte mein Vater, »ich werd schon allein zurechtkommen.« Aber ich schüttelte den Kopf. Ich hatte mein Versprechen gegeben.
    *
    An jenem Abend nahm mich meine Mutter beiseite und fragte mich über Inge Madelung aus. Wie war sie gekleidet? Wie sprach sie mit meinem Vater? War sie wirklich ständig in seiner Nähe? Was hatte er gesagt und getan?
    Ich liebte meinen Vater, aber ich fürchtete meine Mutter. Ich musste ihr etwas preisgeben, um nicht ihren Ärger auf mich zu ziehen.
    »Der Gutsbesitzer mag sie wohl recht gern«, sagte ich, und erzählte ihr von dem seltsamen Betragen des alten Mannes.
    »Eine Schande ist das«, sagte meine Mutter. »Was für eine abgefeimte Person. Na, hat ja sonst nichts, muss sie sich halt an die Männer ranmachen.« Doch so sehr sie auch schimpfte, die Nachricht schien sie zu freuen. Sie lobte mich, streichelte mein Haar und die Wangen. »Sei nett zum Friedrich«, bat sie mich. »Sieh, ob du was von ihm herausfinden kannst.«
    Später am Abend rief mich mein Vater zu sich und fragte, wie wir Kinder miteinander ausgekommen seien. Ich beichtete ihm, was geschehen war, und was Anke gesagt hatte, und er hörte mir schweigend zu. Schließlich sagte er, »Der Friedrich hat es nicht so leicht wie ihr Mädchen.«
    »Aber er ist dumm und blöd«, sagte ich.
    »Er hat doch nur Angst.«
    »Vor uns?«
    »Er ist nicht von hier, und ihr lasst es ihn spüren.« Er hielt einen Moment inne. »Willst du morgen früh wirklich wieder mitkommen?«
    »Ja«, sagte ich. »Haben die von Kamphoffs wirklich eine schwarze Frau im Keller?«
    Mein Vater sah mich erstaunt an, er war nie an diesen Gerüchten interessiert gewesen. »Vielleicht kannst du das morgen mit dem Friedrich herausbekommen,« lachte er. Dann wurde sein Gesicht ganz ernst. »Erzähl deiner Mutter nur nichts von der Frau Madelung. Das wird sie nur aufregen.«
    Ich nickte.
    »Sie versteht nichts von meiner Arbeit, wie gut es ist, jemanden zu haben, der achtgibt, fleißig und zuverlässig ist. Sie denkt manchmal die schlimmsten Sachen, aber wir wissen es besser, nicht wahr?« fragte er.
    Ich nickte noch einmal.
    »Und sei nett zum Friedrich. Vielleicht könnt ihr doch noch Freunde werden«, sagte er langsam. »Spielst du noch mit deiner Eisenbahn?«
    *
    Bevor meine Mutter am nächsten Morgen das Wasser für seinen Kaffee aufsetzte, kam mein Vater zu mir ins Zimmer und stahl sich mit meiner Hilfe für kurze Zeit aus dem Haus. Und als wir in unserem dreirädrigen Lastwagen auf dem Gut ankamen und Inge Madelung zu uns herüber schritt, nahm er eine große Holzkiste von der Ladefläche. »Es ist nichts«, erklärte er. »Altes Spielzeug von meiner Linde. Sie braucht es nicht mehr.« Als Antwort auf Inges fragenden Blick, fügte er schnell hinzu: »Es sind keine Puppen.« Er wurde rot und grinste mich schäfisch an. »Ich glaube, ich hab immer…« sagte er und brach plötzlich ab. »Ich kann dir den ganzen Plunder ins Haus tragen helfen.«
    »Das kann ich schon…«, wandte Inge ein, aber mein Vater fiel ihr ins Wort.
    »Ist ganz schön schwer, die Kiste.«
    Ich folgte den Erwachsenen, und

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