Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
ordnet sich besser.»
«Das kenne ich. Meine neueste Theorie ist, mir nichts mehr zu denken. Schafe hab ich zwar keine, dafür zwei Ranchus, die müssen mir zuhören, weil sie sowieso nicht auskönnen.»
«Ranchus?» Klingt nach einem Großkalibertier, so was wie Alpakas vielleicht?
«Japanisch Katakanas, zu deutsch Büffelkopf, die sind eiförmig.»
«Also ein Vogel?»
Er lacht. «Fliegen können sie nicht, jedenfalls meine nicht. Ihnen fehlt die Rückenflosse, eigentlich sind sie nicht die elegantesten Fische, aber ich hab sie geschenkt gekriegt, von der Frau Bartinger, der ich die Waschmaschine gerichtet habe. Sie war froh, dass sie sie loshat, dabei sind sie wirklich pflegeleicht.» Er mustert die Buchstaben an der Hauswand, starrt eine Weile drauf, als müsste er erst die Bedeutung begreifen, dann reißt er die Augen auf. «Mei, was war das denn für ein Saukopf, der dir da die Wand vollgeschmiert hat?»
Ich zucke mit den Schultern, mehr fällt mir nicht dazu ein, also greife ich zu meinem gewohnten Trick: Wenn ich von mir selber ablenken will, frage ich den anderen. «Und was erzählst du deinen Fischen so?»
Der Xand greift sich den schlaffen Ball, den ich für meine Aufstellung nicht brauchen konnte. «Dass ich auch lieber im Büro hocken würde wie mein Bruder und wenigstens Fußball schauen könnte, wenn ich’s schon nicht spielen darf.» Stimmt, der Xand war schon als Kind mehr auf dem Platz als in der Schulbank. Als Jugendlicher ist er sogar mal vom rot-weißen Verein entdeckt worden, ich weiß aber nicht, warum aus seiner Profispielerkarriere nichts geworden ist. In diese Wunde will ich ihm nicht gleich reinbohren, auch wenn’s mich plötzlich interessieren tut. «Spielst du überhaupt nicht mehr?», taste ich mich vor.
Er schüttelt den Kopf. «Ständige Verletzungen. Was kann ich dafür, wenn die anderen foulen, aber ich hab trotz Schmerzen weitergemacht. Dann ist der Vater so krank geworden, und meine Familie hat beschlossen, ich soll Elektriker werden und der Moritz Handelsfachwirt, damit er mal den Laden schmeißen kann. Aus war’s. Manchmal käst es mich dermaßen an, das ewige Kabelisolieren.» Er kickt das lederne Ei in die Wiese, wo es auf dem Heubüschel landet.
«Tor», rufe ich. Das war aber nur eine bescheidene sportliche Leistung, schließlich steht der Xand keine zwei Meter neben meiner Mistgabelwickerlkonstruktion. «Sag mal, bist du schon fertig mit der Beleuchtung für die Dorffeier?»
«I wo. Der halbe Gemeinderat und die Vorsitzenden der Vereine beratschen mit einem Architekten, wo welches Birnderl aufgehängt werden soll. Die wissen noch nicht mal genau, ob sie überhaupt eine Beleuchtung brauchen, ob es nicht romantischer wäre, wenn jeder selbst ein paar Kerzen mitbringt. Aber da hat dann die Feuerwehr wieder Einwände. Obendrein palavern sie noch herum, wo die Bühne für die Musiker stehen soll, im Unter- oder im Oberdorf. Je nachdem wie viele Gäste von auswärts kommen. Sie zählen schon Leute mit, die noch nicht mal eingeladen wurden. Mir war das Gerede zu bunt, ich hab mich verdrückt. Also los, sag mir lieber, wo’s bei euch hapert.»
Als ich dem Xand vom Keller bis zum Speicher alles gezeigt habe und er nach einer ersten Einschätzung von Grundsanierung redet, einigen wir uns auf ein Mittelding. Neue Leitungen anstatt der ganz kaputten und frischer Draht zu den noch halbwegs funktionierenden Drähten.
«Wenn ich gleich anfange, habt ihr bis heute Abend gar keinen Strom mehr. Passt das?» Ich bin einverstanden. Hauptsache, es tut sich was. Der Inhalt von der Gefriertruhe und vom Kühlschrank wird schon durchhalten, hoffe ich. Dann lasse ich ihn arbeiten und gehe wieder nach draußen. Bevor ich zu kochen beginne, heute auf dem Holzherd, widme ich mich noch der Schrift an der Hauswand, die wird auch der Sophie als Erstes ins Auge stechen, und das kann weh tun. Soll ich drüberweißeln? Ich schubbere noch mal auf den Wörtern herum, die inzwischen jedoch trocken und so dick aufgetragen sind, dass ich einige Schichten bräuchte, damit die Buchstaben nicht mehr durchleuchten. Soll ich einfach den Tiger davorstellen? Aber dazu müsste ich den Gartenzaun aushängen, damit ich hier reinkomme, und am Ende sieht die Sophie es erst recht, weil sie wissen will, was der Traktor hier zu suchen hat, da könnte ich ihn gleich mit ins Bett nehmen. Und unser Bett hält den Tiger vermutlich nicht aus. Außerdem, wie kriege ich ihn die Treppe hoch und durch die Tür?
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