Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
Wickerl drogensüchtig war und gedealt hat, kommt mir das ganze spanisch vor. Organisiertes Verbrechen in Pöcking? Und wo sind die Typen jetzt? Weitergezogen, nachdem sie ihr Werk hinterlassen haben? Und an wen soll diese Botschaft denn gerichtet sein? An alle Hendlesser oder an alle Hendlbudenbesitzer, die als Nachfolger hier ihr Visier aufklappen wollen und ihr Geflügel ebenfalls mit Drogen ausstopfen? Sei nur ja immer brav, sonst drehen wir den Spieß in dir um? Da bin ich überfragt, das ist Sophies Metier. Vielleicht hat sie recht, und der Mörder ist nicht aus Pöcking. Und unsere Gemeinde war nur zufällig am falschen Ort und die Hendlbude im falschen Dorf geparkt? Trotzdem stelle ich für die Drogenmafia vorsichtshalber mal den verbeulten Blechkübel dazu. Wenn es so war, sind die Pöckinger entlastet. Blütenreine Westen. Aber will ich das überhaupt? Jetzt wo sie mich schief anschauen und abgestempelt haben? Vertuschen die nicht was und sind nur froh, von ihren eigenen Schandtaten abzulenken? Wen hab ich übersehen? Ich rufe mir die vergangenen zwei Tage und Nächte noch mal genau in Erinnerung. Die geifernden Gesichter bei der Vergnügungsfahrt mit dem Wolfi, jedes einzelne. Wer hat eigentlich den Jägerrängo verständigt, sodass der mich verhaften konnte? Ich klappe eine verrostete Kinderschere auf und leg sie wie ein X fürs Unbekannte zum Heubüschel. Es fehlt wer, das spüre ich. Doch wer? Ich gehe um das Machwerk herum, betrachte es von allen Seiten. Bei einer Ermittlung muss man seine Gefühle außen vor lassen, hat mir die Sophie mal erklärt, aber gilt das auch für den Spürsinn? Den musst du doch als Detektiv haben, sonst kannst du gleich daheimbleiben. Na ja, sie hat eher gemeint, wen du leiden kannst oder nicht, darf bei einer Ermittlung keine Rolle spielen. Leicht gesagt. Doch halt, ich hab’s. Wie konnte ich ihn nur weglassen? Nur, was nehme ich für den? Feuerwehr ja, Technischer Hilfsdienst meinetwegen, aber ein Polizeiauto hab ich meinen Kindern nie geschenkt. Ich eile zum Sandkasten, in dem allerhand Zeug liegt, und wühle im Sand. Tief vergraben finde ich was, das mich augenblicklich ans Ende meiner Kindheit zurückkatapultiert. Viel kleiner und farbloser ist die Plastikfigur aus heutiger Sicht. Ich habe sie dem Emil vermacht als Ergänzung für seine Playmobiltruppe. Ich kratze und puste den Sand vom Gewehr, das er mit angewinkeltem Arm vor dem Körper hält. Ganz und gar ein Bleichgesicht ist er geworden, mein Old Shatterhand, nichts mehr vom satten Braun seines Fransenhemds ist übrig. Nur am Messer, das an seinem Gürtel hängt, klebt noch ein Fitzelchen Rot. Dass ich den hier finde? Von mir aus darf diese Figur jetzt den Jäger Wolfi spielen, so wie er es damals schon beim Winnetoufilm-Nachspielen immer sein wollte.
Gibt es vielleicht gar keine Nachbarin, die mich bei der Hendlbude gesehen haben will? Ist mir der Wolfirängo gefolgt, weil er mich sowieso auf dem Kieker hat? Oder wollte er selber um Mitternacht dort noch was erledigen? War er längst da, als ich angeradelt kam? Ich schieß mich auf den Jäger Wolfi ein und muss zugeben, dass ich gern alles auf ihn abwälzen würde. Ist er nicht nur ein Wildtöter, sondern auch ein Menschenmörder? Und wenn ja, welches Motiv hätte er? Und wäre er dann so blöd oder so schlau, selbst an dem Tatort aufzutauchen, als der Bene die Polizei angerufen hat? Hätte er dann nicht besser seinen Sudokukollegen vorbeigeschickt? So wie ich den Wolfi kenne, hat er lieber alles unter Kontrolle. Und außerdem könnte er dann perfekt Spuren verwischen. Nur mal ganz provisorisch angenommen, er war’s, dann muss ich rauskriegen, was er mit dem Wickerl zu tun hatte. Ich hab immer gedacht, den Wolfi kriege ich irgendwann los, der kehrt mir die Rückseite und juckt mich nimmer, aber es soll nicht sein. Na ja, wer weiß, vielleicht besuche ich ihn bald hinter Gittern. Dort kann er dann lange hoffen, dass ich ihm eine Feile in einen Kuchen hineinbacke.
«Oha, warum redest du mit einer Mistgabel?» Der Elektrikerxand steht am Gartentor und kratzt sich am Kopf.
Ich fühle mich ertappt, stecke den Wolfi, äh, das Plastikbleichgesicht in die Hosentasche. «Ich räum nur die Sachen von der Emma weg, wie Kinder so sind, überall flackt was herum.»
«Und dabei redest du mit dir selber?» Der Xand ist anscheinend nicht so leicht zufrieden zu stellen.
«Na ja, ich bin allein, und wenn ich den Schafen sag, was mich beschäftigt, hab ich das Gefühl, es
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