Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
bisschen protzig aufgetragen, unsere Hauswand ist ja keines von Fidls Kalenderblättern, die du so mir nichts, dir nichts, abreißen kannst.
«Wäre das nicht ein bisschen dezenter gegangen? Meinst du etwa, der Täter meldet sich jetzt bei uns und sagt, ich war’s, sorry, wer mich so nett fragt und dafür sogar seine Hauswand opfert, dem muss ich dann auch die Wahrheit sagen? Ich gebe alles zu, bitte verhaftet mich.»
«Von wem redest du, dem Mörder vom Wickerl oder dem, der das hier fabriziert hat?»
«Dann hast du das gar nicht geschrieben?» Sie verschränkt die Arme und legt den Kopf schief.
Ein ganz klein wenig erinnert sie mich damit an die Bina, eine der gemeuchelten Fuggerdamen, die unter ihrem roten Kamm im schwarzen Gefieder genauso geschaut hat, wenn ich beim Ausstreuen noch einen Rest Getreide in der Hand zurückbehalten hab.
«Ehrlich, Muggerl, ich freu mich doch, wenn du mich bei der Tätersuche unterstützt, aber mehr nützen würde es mir, wenn du deine Arbeiten machst, damit hast du bestimmt genug zu tun, oder? Wolltest du dich nicht um die unbezahlten Rechnungen kümmern? Noch dazu will ich euch nicht auch noch in Gefahr wissen, wenn ich weg bin. Und …» Sie zögert. «Sei jetzt nicht beleidigt, wenn ich das sag.» Ich bin gespannt, was jetzt kommt. Der Anschiss meines Lebens oder Schlimmeres, womöglich was, was ich mir überhaupt nicht in meinem begrenzt-männlichen Hirn vorstellen kann?
«Da fehlt ein Buchstabe.» Sie zeigt mir wo an der Wand, auch wenn sie sich dafür auf die Zehenspitzen stellen muss, wofür ich sie schon wieder knuddeln könnte.
«Das Wort Hendlmöder stand bereits da, als ich gestern aus dem Dorf zurückgekommen bin. Erst hab ich gedacht, dass es um die toten Fugger geht.»
«Der Jakl ist tot? Was ist denn passiert?» Sie macht eine kleine Pause. «Und ich hab mich schon gefragt, warum der nicht mehr kräht. Ach, Muggerl, das tut mir leid.»
Mir zittern die Lippen, als ich ihr endlich von meinen toten Augsburgern berichte. Sie umarmt mich, und auf einmal bricht es aus mir raus, ich erzähle ihr alles, von Anfang an, vom leeren Hühnerstall bis zu den Leuten beim Bäcker, die mich auf einmal nicht mehr kennen wollen, dem Getuschel und sogar von der Castingshow oder was das auch immer war, wonach mich die Senioren jetzt als Pfleger haben wollen, und auch dass ich ihnen heute beim Umzug in die Textilstube helfen soll. Inzwischen sitzen wir in der noch nachtfeuchten Wiese bei den Gegenständen, die das ganze Drama darstellen sollen. Nun kommt meine Frau bestimmt zu spät in die Arbeit, denke ich, und prompt klingelt ihr Handy. Du hast aber auch keine Ruhe mehr mit diesen Dingern, überall und ständig wollen die mitreden. Sophie kramt das Mobilteil aus der Tasche, die sie neben dem Senioren-Handschuh und dem verbeulten Drogenmafia-Kübel abgestellt hat.
«Papa, bist du’s?»
Anscheinend ist der Fidl am Telefon. Sie tippt auf Lautstellen, und ich höre ihn wimmern.
«Ich möchte mich verabschieden von dir, mein Kind.»
«Geht’s dir schlechter? Was sagt der Arzt? Hast du Schmerzen?»
«Es geht zu Ende.»
«Papa?»
Schweigen im Gerät, dann ein Seufzer. «Ich sterbe.»
«Tust du nicht, warte, ich fahre sofort zu dir, Papa, ich bin in einer Viertelstunde da.»
Sophie packt ihre Handtasche und rennt zum Auto.
«Ich komm mit, so ein Umzug kann verschoben werden. Ich hole nur schnell die Emma», sage ich.
«Bleib du lieber hier. Ich schau erst mal, was los ist. Der Arzt hat nichts davon gesagt, dass es so schlimm um ihn steht. Solche Phasen kenn ich vom Papa, vermutlich ist ihm nur langweilig, oder er fühlt sich einsam, lass mich erst mal allein mit ihm reden, einverstanden? Die Senioren können das mit dem Umzug nicht alleine. Ich melde mich, sobald ich Genaueres weiß. Ich hoffe, ich erreiche dich irgendwie.»
«Ruf bei den Schwipps-Schwestern in der Textilstube an, hast du die Nummer?»
Sie nickt. «Die finde ich raus. Und du schaust, dass dir der Xand endlich ein Handy gibt.»
Mir fällt es schwer, zu den Senioren zu fahren, meine Frau lässt mich im Regen ohne Regen stehen. In Gedanken sorge ich mich natürlich doch um den Fidl. Was, wenn er wirklich im Sterben liegt? Hätte ich sie doch nicht allein fahren lassen sollen? Dann zwinge ich mich anzufangen, es hilft ja nichts. Das Leben muss gelebt werden. Also packe ich die Emma zusammen, was ausnahmsweise keiner Überredungskunst bedarf. Sie liebt die Textilstube. In der Kinderecke gibt es nicht
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