Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
gegenüber nehme ich jetzt mal kein Blatt vor den Mund.» Mit einem Seitenblick zu ihrem Mann räuspert sie sich, strafft den geblümten Umzugskittel. Ein Glück, dass ich mich wie jeder Familiennachzügler auch in Ruhe schicken kann. Trotzdem frag ich mich, was jetzt kommt.
«So was von froh bin ich», fängt die Burgl wieder an. «Endlich gibt es Interessanteres in meinem Alltag als nur den Stuhlgang von meinem Mann, den er mir jedes Mal nach erfolgter Tat genauestes beschreiben muss. Größe, Konsistenz, Art des Herauspressens, ich kann’s nicht mehr hören. Und hab auch keine Zeit mehr, seit ich hier mitmische. Das ist noch nicht alles.» Und wie sie mir ihre Mischung erklären will, funkt der Panscher dazwischen, der unser Gespräch mit angehört hat. Ob ich ihm dort drüben beim Schrankzerlegen helfen könnte.
«Habt ihr das mit dem Wickerl und seinen Drogen eigentlich gewusst?» So beiläufig wie möglich lasse ich es klingen.
Die Kirchbach Gretl kichert: «Mei Muck, du wohnst schon wirklich ganz weit ab vom Schuss. Das hab ja sogar ich mitgekriegt, wo ich mich eigentlich nicht für so Grusch interessiere. Aber als ich mal bei der Hendlbude angestanden bin, ist so ein Bursche mit seiner Stranitzen weggerannt und über meinen Rollator gestolpert.»
«Stranitzen?»
«Na, so eine Papiertüte halt. Die Pommes sind rausgekullert und in das Körbchen an der Lenkstange gefallen. Wie ich sie aufsammeln wollte, liegen da kleine Kristalle drin. Erst hab ich gedacht, ich bin dem Wickerl seinem Geheimrezept draufgekommen, dass er Zucker an die Hendlmarinade tut, aber der Panscher hat gesagt, dass das dieses Teufelszeug ist.»
«So so, schön, Gretl. Aber jetzt müssen wir doch mal weiterarbeiten, sonst kommst du heute noch zu spät zu deinem Rosenkranz.» Der Apotheker klatscht in die Hände und schiebt die Mesnerin samt Rollator zur Seite. «Du wolltest doch die Gläser noch einpacken?»
Ich hab genug gehört, jetzt weiß ich auch, warum es ihnen nach der Ingrid ihrem Tod so rapide besser ging. Mit ihrer Geschäftsidee konnten sie sich natürlich selber aus der Depression hieven.
Cooking for Everybody
, ob da auch der Fidl mit drinsteckt? Das reinste Crystallabor betreiben sie, und die Gretl hat mir soeben verraten, was der Auslöser war.
Jedenfalls kenne ich eineinhalb Stunden später jede Art von geräuschvollem Luftablassen, die ein Sechzig Plusler beim Schleppen von ein paar Kisten von sich geben kann. So komme ich nicht mal dazu, den Pflegedienst abzusagen. Jedes Mal, wenn ich es ansprechen will, knarzt es in irgendwelchen Gelenken, oder der Melcher atmet so tief ein, dass ich glaub, er kraxelt nie mehr aus seiner Lungenschlucht heraus. Am liebsten würde ich sofort zur Sophie rennen und ihr von meiner Erkenntnis berichten, aber die Alten werden schon nicht in Massen flüchten. Wenn ich beim Umzug mithelfe, dann hab ich sie im Blick, und die Sophie kann sie auch nachher im Schwipps-Schwestern-Laden alle zusammen verhaften, da ist dann auch das ganze Laborzeug als Beweismittel dabei.
Mit dem ersten vollen Anhänger kurve ich wieder zur Textilstube. Das Geschäft ist geöffnet und schon voller Leute. Brav stelle ich mich in der langen Schlange vor dem Stofftresen an. Ich brauche den Schlüssel für das schwere Vorhängeschloss, das den Kellereingang verriegelt, in den du außen herum durch den Garten reinkommst. Fragen oder Fuchteln nützt hier nichts. Einen Gruß kriegst du, wenn du zur Tür reinkommst, sogar mit persönlicher Namensnennung und Doktor- oder Adelstitel, wenn vorhanden, aber sonst erst mal nichts. Strenge Disziplin herrscht in den zwei Geschäftsräumen, das Militär ist ein Kindergarten dagegen. Bei den Stoffen und Nähgarnen führt die eine, in der Nachbarabteilung für Wolle und Strickzubehör die andere Schwippsin ihr strenges Regiment. Auch wenn ich keine Kundschaft bin, hab ich mich genauso hinten anzustellen, gleiches Recht für alle, schließlich ist der Kremper Annelies die Regina oder Regia im letzten Zipfel des zweites Sockens ausgegangen, und die Meersberger Traudl weiß nicht, wie man eine Tasche verhaspelt oder -paspelt, vielleicht hab mich auch verhört.
Ich schau zur Emma, die in der Nähecke ganz vertieft an was aus Stoffstücken schneidert. Kriegt der Kohl einen Badeanzug? Wie ich sehe, näht sie nicht, sondern klebt die Stoffstücke zusammen. Ganz der Vater, ich arbeite bei meinen Möbeln auch nicht mit Nadel und Faden.
Vergeblich versuche ich der Berta oder der Erna
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