Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
nur Woll- und Stoffreste, sondern, neben unzähligen Schachteln mit Perlen, Pfeifenputzern und vielem anderen Krimiskrams, auch eine kleine Nähmaschine.
Als ich sie bei den Schwipps-Schwestern abgeliefert habe, fahre ich mit dem Tiger zum Alten Rathaus und bespreche den Ablauf mit den Senioren. Punkt halb neun, wie abgemacht, stelle ich die Lämmerkiste mit meinem Werkzeug auf dem Parkplatz ab und hol den großen Anhänger von der Weide, dann manövriere ich die Ladefläche zum Hintereingang, wo sie gestern schon angefangen haben, die ganzen Sachen zu stapeln. Lauter Glasgefäße lade ich auf. Manche mit flachem Boden und weiter Öffnung, andere mit einem Birnenbauch, mehreren Hälsen und aufgedruckten Messeinteilungen. Die mit ihrer Molekularküche!
«Obacht auf die Spinne», ruft die Burgl, ich hebe den Fuß, um das Krabbeltier nicht zu zertreten, und stolpere fast, doch die Burgl deckt nur das fragile Glasteil mit mehreren Schraubverschlüssen ab, das aus einem Karton herauslugt.
«Wofür ist das?», frage ich.
«Ach nichts, damit trennen wir die Dings, die Flüssigkeiten.»
«Was für Flüssigkeiten denn, Rahm, Milch und Wasser?» Die nehmen die Gaumenkitzlerei ernst! Ich schraube das Gestell von der Wand ab, so ein Gitterspalier aus Edelstahl, an dem noch Plastikklemmen hängen.
«Ja, genau. Soßen zum Beispiel, wie beim Fondue.»
Schnaufend stellt die Burgl große Kochtöpfe ineinander. Moment mal, Fondue? Schweres Käsefondue in solch feinen Glaskolben? Und wie bringt man das dann raus? Mit einem Korkenzieher vielleicht? So ein Schmarrn. Mir fällt es wie Schuppen von den Augen. Diese Schuppen müssen verdammt lange auf meiner Kopfhaut herumgelegen haben, vom ersten Tag an, als ich den toten Wickerl gefunden hab und erst jetzt mit dem inneren Nicken sind sie mir auf die Wimpern runtergebröselt, nur so kann ich mir erklären, wieso es ‹Schuppen von den Augen› heißt und nicht ‹Schuppen vom Schädel›.
Wenn mir die Sophie gestern nicht die Fotos gezeigt hätte, würde ich immer noch glauben, dass die
Gemeinsam Dabeiseier
für die Lange Tafel Rezepte ausprobieren. Von wegen Hobbyküche und Nachäffen von vorgekochtem Promibatz.
«Jetzt sag ich dir was», sagt die Burgl, die mich anschaut. Hat sie gemerkt, was mir gerade durch den Kopf gegangen ist?
Ich lasse das Werkzeug sinken und lausche gespannt, während es in meinem Kopf weiterrattert. Eingelullt haben mich die Senioren, wir halten zu dir, Muck, von wegen! Weder Ochs noch Kuh bin ich, nur ein riesengroßes Rindvieh, dass ich die Zusammenhänge erst jetzt kapiere. Bis ich selbst mit drinstecke und mein Maul halten muss. Angefangen mit der Ansteuerung der Münchner Apotheke, kaum dass sie aus dem Bus ausgestiegen sind. Warum hab ich mich da schon nicht gefragt, was das soll? Normalerweise versorgt sie doch der Panscher mit allem, was sie an Medikamenten brauchen, er sitzt hier in Pöcking an der Quelle. Angst vor Erkältung, dass ich nicht lache, die Halstücher haben die benutzt, um so zu tun, als seien sie alle krank, um in der Apotheke glaubhaft Grippemittel in Unmaßen einheimsen zu können. Wer weiß, ob die nicht noch weitere abgeklappert haben. Dann die Flüssigkeiten, kanisterweise, in Kopfkissen gepolstert, und den neuen, langen Metallkamin mit eingebautem Filter. Aber warum nehmen die ausgerechnet mich zum Umziehen, wo sie doch wissen, dass die Sophie bei der Drogenfahndung ist? Apotheke hin und her, da können sie sich mit Altersschwäche oder sonst was immer rausreden, aber diese Ausrüstung hier, die verrät sie ein für alle Mal.
«Burgl, leg los, Zeit für die Offenbarung», sporne ich sie an.
«Ja, Muck», sie lächelt und holt Luft. «Eigentlich bin ich ein geduldiger Mensch, genau wie du, deshalb verstehen wir beide uns, gell? Was ich dir jetzt anvertraue, gilt nicht nur für mich, sondern für alle hier. Früher bist du zu nichts gekommen, weil dir die eigene Brut den letzten Nerv und Pfennig, später Cent, aus der Tasche gezogen hat, bei aller Liebe, es ist doch so. Stimmt’s?» Sie sieht in die Runde, und wie im Chor bejahen sie alle.
«Und kaum bist du aus dem Arbeitsleben entlassen, wollen dich die Jungen einspannen, weil sie auf einmal selbst in der Zwangsmühle drinstecken und wen brauchen, der auf die Schratzen aufpasst, sich um den Garten kümmert, die Wäsche bügelt und und und. Natürlich alles gratis und möglichst ohne Kommentare. Von früher, der guten alten Zeit, darfst du schon gar nicht reden. Dir
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