Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
zwei Halbe und ein bisschen klares Obst zusätzlich in den kleineren Gläsern, bis der Wirt zusperren musste.» Er hält inne. «Du fragst mich das Gleiche wie die Sophie, wollt ihr mich testen, ob ich noch zurechnungsfähig bin, oder wie? Ich sag dir was, hier drin …» Er tippt sich auf die Stirn. «… ist alles noch paletti.»
«Daran zweifelt doch niemand. Wir wollen nur, dass es dir besser geht. Wusstest du, dass dein Förderverein Sisi-Bier herstellt?»
«Ach, haben sie’s dir verraten?» Er leckt sich die Lippen. «Eigentlich wollten sie doch noch bis zur Tausendjahrfeier damit dichthalten.»
Per Daumendruck öffnet er eine Schublade des erlenvertäfelten Nachtkästchens und holt aus der Geschenkeschachtel von den Alten genau so ein Medizinfläschchen heraus, aus dem mir der Melcher vorhin auch was angeboten hat. «Und, wie schmeckt’s dir?» Er trinkt es in einem Zug aus, zieht eine Schnute wie bei einer Weinverkostung und schwurbelt das Zeugs ausführlichst im Mund herum, ehe er’s schluckt. Anschließend wirft er das leere Fläschchen in die Schublade zurück.
«Ich hab’s nicht probiert.» Bier, ob Sisi, Ludwig oder Hasenbräu, schmeckt mir nicht, auch wenn kein Bayer (oder wer sich dafür hält) das jemals akzeptieren wird. Ich könnte zwischen Zahnputzwasser und Starkbier nicht unterscheiden. Zum Fidl sage ich: «Ich muss doch Traktor fahren.» Diese Ausrede wird wenigstens halbwegs angenommen, um seinen Fahrerlaubnislappen hat jeder Angst. «Dass der Melcher zusammen mit den anderen ein eigenes Bier braut! Und ich hab schon Wunder was gedacht, diese Gerätschaften und die Kocherei, das sah wirklich wie ein Drogenlabor aus.» Ich zögere. «Das mit dem Wickerl weißt du, oder?»
«Der Arme, welch grausamer Tod. Die Sophie hat mir gesagt, dass es laut Gerichtsschnipplern zum Glück schnell gegangen sein muss bei ihm mit dem Sterben. Ausgerechnet ihren ersten Fall muss Sophie hier bei uns lösen, hoffentlich schnappt sie die Rauschgiftbande, bevor sie noch ganz Pöcking auf den Geschmack von diesem Kasperlzeug bringt und am Ende noch mal zuschlägt.»
Oha, die Gretl hat es als Teufelszeug bezeichnet, aber der Fidl ist halt härtere Sachen gewohnt. «Dann hast du gewusst, dass der Wickerl mit Drogen handelt?»
«Na ja, dass der außer Fritten und Huhn noch was anderes unter der Ladentheke anbietet, das war bekannt, sogar deinem Exspezi. Der Jägerlateiner war Stammkunde beim Wickerl, schau dir seine Hühnerbrust an.» Fidl tippt sich auf seinen grauhaarig verfilzten Bizeps im Unterhemd. «Der stand oft bei der Hendlbude und hat mit seiner Angeberei und seinen gescheiten Sprüchen die Leute verscheucht. Der Wickerl hat ihm sogar Rabatt gegeben, damit er sich schleicht.»
Mein Verdacht gegen den Wolfi verdichtet sich wie der Mist im Frühjahr, der nach einem langen Winter bis unter die Schafstalldecke ansteht, sodass meine Tiere fast auf den Knien fressen müssen. Jede Gabel ein Kraftakt, bis ich den Mist überhaupt lockern kann.
«Aber jetzt sag einmal, was gibt’s sonst Neues zu Hause?» Der Fidl kippt ein zweites Fläschen aus der Schublade und kriegt direkt gute Laune. «Hast du den Hühnerdieb schon gefangen?»
«Emma, erzähl du dem Opa, was du entworfen hast. Wir bauen nämlich was», versuche ich sie, die immer noch in meinem Pulli vergraben ist, rauszulocken. Ihr Kopf glüht, mir ist auch heiß, aber ich will kein Fenster aufmachen, nicht, dass sich der Fidl im Unterhemd noch erkältet.
Die Emma schüttelt kaum merklich den Kopf und kitzelt mit ihren verschwitzten Haaren mein Kinn.
«Wie geht’s deinen Windpocken, jucken sie noch recht?», probiert es der Fidl, aber anstatt zu antworten, klammert Emma sich erst recht fest an mich.
Die Tür geht auf. Eine andere Schwester als vorgestern bringt das Essen, zugedeckt mit einer silbernen Warmhaltehaube. Hoffentlich ist nicht nur eine Erbse drunter. Mir knurrt der Magen, es wird Zeit, dass Emma und ich uns was organisieren.
«Das können Sie gleich wieder raustragen, ich hab keinen Hunger», winkt Fidl ab, wie sie ihm ein Tablett aufbauen und über die Bettdecke stellen will.
«Eine Kleinigkeit, Herr Sattler, kosten Sie doch bitte von unserer Mediterrine.»
«Was? Soll ich jetzt beim Essen auch noch meditieren?» Fidl senkt sein Bett und kriecht wieder unter die Decke.
Schwester Yvonne, wie es auf ihrem Schildchen steht, positioniert das Tablett sorgfältig auf dem Nachtkästchen und hebt feierlich die Haube ab. Grün, orange und
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