Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
zufrieden. Wenn du das Salz abschwappst oder es mit ein, zwei, drei Halben dazu runterspülst, geht’s. Beim Metzger ist in einer Wurst schließlich auch kaum noch Wurst drin, und du brauchst für ein Wienerle einen Beipackzettel, so lang wie die Speisekarte eines Fünfzehngängemenüs.
Langsam schieben wir uns, Kundin für Kundin, zur Theke vor. Als die Bierbach Susi, die Frau vom Leichenerwin, an der Reihe ist, schildert sie dem Kraulfuß bis ins Detail den Wettkampf, wie sie und der Konkurrenzbestatter den Wickerl in die Rechtsmedizin überführen sollten. «Als hätten wir es gespürt, dass es einen Umschwung braucht. Man muss mit der Zeit gehen, auch in unserem Geschäft. Der Tod ist nur für die Toten der Garaus, für uns geht’s da erst los. Vorgebetet hab ich das meinem Erwin, ihn sogar auf Knien angefleht.» Dick auftragen kann die Totengräbergattin. Du merkst, dass sie in der Theatergruppe des Trachtenvereins als Souffleuse mitwirkt und das Drama in fünf Akten verinnerlicht hat, Schlange hin oder her. «Trotz allem war er skeptisch, ob sich die Investition in so einen Leichen-Rolls-Royce mit Schiebedach lohnt. Dabei hab ich natürlich nicht an Spieße gedacht, eher an Kränze und Gestecke, die in ein normales Auto oft gar nicht reinpassen oder nur zerdrückt werden, aber jetzt haben wir das Rennen gemacht.» Strahlend zahlt sie ihr christliches Ersatzfleisch und zischt ab.
Zwölfeläuten. Wenn wir Glück haben, gibt uns der Kraulfuß überhaupt noch was, seine Mittagpause nimmt er gewöhnlich sehr genau. Ich lure hinter die Theke. An der Metallschiene hängen nur vier der sieben Messer. Nummer fünf und sechs liegen auf den Schneidbrettern. Das siebte, das drittkleinste, wie ich vermutet habe, fehlt. Also doch.
«Bittschön?» Mit einem Kinnzuckerer fordert er mich auf zu bestellen.
«Einmal mit und einmal ohne», sage ich. Emma mag ihre Semmel nur mit Zwiebeln, Ketchup und Mayonnaise drauf, aber der Kraulfuß Fritzl lässt mich nicht ausreden.
«Was ohne?»
«Ohne Fisch, aber mit.»
«Was mit?»
«Mit Zwiebeln und dann noch eine Semmel mit.»
«Mit was?»
«Fisch, oder bin ich hier in einem Gemüseladen?»
«Barsch, Karpfen, Hering, Flunder, Brachse, Zander, Seeforelle, Saibling, Renke?»
«Nicht so viel, das hält doch gar nicht alles zwischen zwei Semmeldeckeln.»
Der Kraulfuß stöhnt und wischt sich mit dem Ärmel die Stirn.
«Ein einziges Fischpflanzerl hab ich auch noch, da ist von allem etwas drin.» Mit seinem größten Messer schneidet er zwei Semmeln auf. Schneiden ist zu viel gesagt, eher rupft er sie auseinander und hilft mit dem Fingernagel nach. Ich schaue mich schnell um, wir sind die Letzten im Laden.
«Hat das Internetsuperding beim Schärfen versagt?» Ich kann es mir einfach nicht verkneifen. Nicht, dass ich mich um Aufträge reiße, obwohl …
«Das funktioniert pfundig, ich bin nur noch nicht dazugekommen, es auszuprobieren. Du hast selber gesehen, was hier los ist. Der Laden brummt wie sonst noch nie.»
Mir brennt’s im Auge, mit anzusehen, wie er sein Werkzeug schindet.
«Gib mir doch lieber ein Seelachsfilet.»
«Freilich.» Er dreht sich um und zieht aus einer Schublade genau das Messer, das ich in der Hendlbude gesehen habe, wischt es an seiner Schürze ab und fieselt vom Seelachs eine Schwarte herunter. Meiomei, wie soll ich das denn in den Mund reinbringen, da brauch ich ja einen Spreizer von der Feuerwehr. Die andere Semmel belegt er mit Zwiebelringen und reicht sie Emma. Zufrieden klettert sie auf einen der alten langbeinigen Hocker, die der Fritzl von seinem Vater aus seinem Kellersaloon abgestaubt hat. Mit Ketchup und Mayonnaise malt sie Muster auf ihre Semmel. Wenigstens sieht sie hier im Laden nichts von Tod und Engel oder Gefahr.
«Hast du dir das Messer selbst aus dem Wickerl seiner Bude geholt, oder hat’s dir der Wolfi zurückgegeben?», wage ich mich vor. Deppert oder nicht, ich kann nicht anders.
«Ich weiß nicht, wovon du sprichst.»
«Von diesem Messer, das du in der Hand hältst. Ich hab’s gesehen, als ich den Wickerl vorgestern gefunden hab. Du kannst es abstreiten, doch ich hab Zeugen.» Etwas übertrieben, ich geb’s zu. Die Alten verdächtigen den Fischtandler nur, vom Messer wissen sie nichts, aber das muss ich ihm nicht auf die Nase binden. «Also sag einfach, wie es war, was du am Abend vor dem Mord gemacht hast.»
Der Semmeldeckel hält nicht auf der Schwarte, der Fritzl spannt ein Gummiband drüber und schiebt mir das
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