Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
und Fidl-Sorgen hab ich das überrochen.
Liegt der Wickerl wie ein Fakir auf seinen Spießen, als gebe es keinen bequemeren Ort! Mir brennt’s im Magen bei dem Gedanken, so ohne Frühstück. Tote bin ich eben nicht gewohnt. Wenn die Sophie von ihren Drogensüchtigen erzählt, irgendwelchen armen Schweinen von der Münchner Schickeria, die Drogenkristalle wie Kandiszucker schlucken, einschnaufen oder rauchen, ist das was anderes. Sie weiß einfach, was dann zu tun ist, aber ich? Auf dem Weg zum Rathaus werde ich von den Senioren aufgehalten und finde den Wickerl in seiner Marinade. Eigentlich soll ich den Fidl beruhigen, damit die Senioren endlich abdampfen können. Also nicht wörtlich, mit dem Dampfer fahren sie nicht, aber vielleicht schlage ich ihnen das vor, wenn es hier so weitergeht. Wenigstens stehe ich mit dem Mordopferfund nicht ganz allein da. Zusammen werden wir schon eine Lösung finden. Die Alten durchbohren mich mit Blicken und dann mit Fragen, dass ich mich schon fast so durchlöchert fühle wie der Wickerl in seiner Bude.
«Was ist jetzt da drin, Muck, warum lässt du uns nicht reinschauen?», quengelt die Pflaum Burgl.
«Kriegen wir noch die Hendl?», fragt die Kirchbach Gretl. «Die werden nie fertig, wenn der noch nicht mal angefangen hat.»
«Was meinst du mit, dem geht’s nicht gut, warum hilfst du ihm dann nicht?», bohrt der Rossi weiter.
Eigentlich fällt mir immer irgendwas ein, und wenn’s ein Schmarrn ist. Ein bisschen was verstehe ich sogar von der Heilkunst, das hat nichts mit Doktor zu tun. Über die Jahre hab ich mir so ein Wissen angeeignet, für jeden ein Kraut oder ein paar Kugerl, aus meinem Apothekerschrank, der im Schafstall hängt. Ich weiß den Unterschied zwischen Mensch und Tier, aber Tiere sind wie Menschen. Wenn’s so ein Schaf zwickt, das nicht sagen kann, wo der Krankheitsherd steckt, und so ein Mensch kann es, dann brauche ich die Worte des Menschen trotzdem nicht für seine Diagnose, sondern nur das Geräusch, und das klingt nicht anders als das individuelle Mäh von einem Schaf. Ein jedes Schaf hat sein Mäh, das fängt mit der Geburt an. In der Herde kennt die Mutter ihr Lamm am Klang heraus, und sie antwortet auch so, dass es das Kind versteht. Und ich höre eben die Wehwehchen der Pöckinger heraus und renke sie wieder ein. Wenn’s halt noch geht. Beim Hendlwickerl ist es eindeutig zu spät, da muss der Bestatter nur noch schauen, wie er die Spieße wieder aus ihm herausbringt, damit der Sarg schließt.
«Ja, lebt er überhaupt noch?», fragt der Apotheker, den sie alle Panscher nennen. Als ich den Kopf schüttle, herrscht einige Sekunden Stille, bis die Müller Ayşe und die Kirchbach Gretl ihre Kopftuchknoten fester ziehen und in ein Wehklagen ausbrechen. Das ist in Bayern nicht anders wie am Bosporus.
«Soll ich wen anrufen?» Der Bene schreit gegen die Schluchzer an, zückt sein Handy, ein nigelnagelneues Teil, wie mir scheint. Ich frage mich, wie er, der als letzter Bayer aus Stalingrad entkommen ist und jetzt auf einem Aussiedler- oder besser Einsiedlerhof am Ortsrand ohne Strom und fließendes Wasser lebt, sich so ein Ei-Phone leisten kann. Ich hab kein Handy, auch wenn die Sophie meint, ich sollte eins besitzen, aber meine Schafe hören noch auf einen echten Pfiff ohne Akku und Internetverbindung. Eine App haben sie noch nicht am Ohr, nur hin und wieder eine Zecke, wenn ich nicht aufpasse. Mails schreiben sie mir auch keine, weil es noch keine Paarhufer-Tastatur gibt. Es reicht, wenn mich die Leute mit ihren Anliegen auf der Straße bremsen, da brauche ich nicht noch ein Vibrieren in der Hosentasche.
«Ruf gleich …» Meine Frau, wollte ich schon sagen, aber das muss ich ihnen noch nicht auf die Nase binden, sonst schimpft mich die Sophie wieder, dass ich es rumerzähle, bevor sie ihren ersten Kripo-Arbeitstag hinter sich gebracht hat. «…den Notruf», ergänze ich stattdessen.
Ich weiß zwar, dass Notruf Polizei bedeutet und Polizei Jäger Wolfi heißen könnte, und der wäre der Letzte, den ich hier brauche. Hoffentlich hat er keinen Dienst oder ist woanders im Einsatz. Nicht in jeder Gemeinde sind die Leute so sittsam und vereint wie in Pöcking, fast schildbürgermäßig. Nicht zu vergessen die vielen Schifferlfahrer auf dem Starnberger See, wo gelegentlich einer über Bord geht, ob weinselig oder glückselig oder keines von beiden, das sei dahingestellt. Jedenfalls haben die auch andere dort drunten auf der Starnberger Wache, die
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