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Hendrikje, vorübergehend erschossen

Titel: Hendrikje, vorübergehend erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nun aber reichte, war so taktvoll, das Thema zu wechseln. Er erzählte stundenlang von dem Rotwein,
     den er zu spendieren gedachte, wo der herkam und wie teuer der war und warum er so teuer war. Sehr lehrreich und schön, wenn
     man weiß, womit man sich besäuft.
    Wir sind angekommen in Lisas Landhaus, und Holger war auch schon da, er war mit einem eigenen Auto gekommen. Er begrüßte mich
     sehr lieb, das weiß ich noch. Draußen im Hof. Er lächelte und sagte: ›Na, du, Mensch!‹, und rubbelte an meinem Arm herum und
     wurde ein bisschen verlegen.
    |96| Ernst, Sophie und ich haben den Kofferraum ausgepackt mit den Lebensmitteln und den Getränken, und Holger stand dabei und
     guckte zu, und dann fiel sein Blick auf ein wahnsinnig verrostetes Fahrrad, das an der Hauswand lehnte und zwei platte Reifen
     hatte. Er rief ins Haus zu Lisa: ›Sag mal, soll das kaputte Fahrrad denn den ganzen Winter hier draußen stehen?!‹ Und Lisa
     antwortete aus der Küche, ja, es wär egal, das wär so kaputt und rostig und die Bremsen würden auch nicht mehr gehen, das
     solle bis zum nächsten Sperrmüll da stehen bleiben.
    Wir haben die Lebensmittel zu Lisa in die Küche getragen, die schon in Kochschürze dastand und Brot buk. Sie strahlte mich
     an, hocherfreut, und lachte und kam auf mich zu und rubbelte mir den Arm und sagte: ›Na, Mensch, du!‹
    Dann habe ich mich an den Lammbraten gemacht. Sophie stand neben mir und notierte auf Ernsts ausdrücklichen Wunsch das Rezept,
     damit es der Nachwelt erhalten bleibt. Dann war das Lamm im Ofen, und wir deckten im Esszimmer den Tisch und machten die erste
     Flasche Champagner auf. Der war schon lecker, und ich hatte recht schnell einen Schwips, weil ich noch gar nichts gegessen
     hatte seit dem Frühstück. Ich schaute mir Lisa an und fragte mich, ob sie wohl etwas damit zu tun hatte, dass Dieter nicht
     mehr bei mir aufgekreuzt war, ob sie ihm vielleicht verboten hatte, mich weiterhin zu sehen, wenn er seinen Job nicht verlieren
     wollte.«
    »Warum haben Sie sie nicht gefragt? Sie hatten doch nichts mehr zu verlieren.«
    »Ich nicht, aber Dieter. Ich dachte, schon wenn ich
frage
, kann ich Dieter damit vielleicht schaden. Lisa ist ja nicht nur Dieters Arbeitgeberin, sondern auch seine Rechtsanwältin.
     Also hab ich die Klappe gehalten. Sophie und Lisa waren fertig mit dem Tischdecken und gingen ins obere Stockwerk, |97| um sich umzuziehen. So saß ich eine kleine Weile mit Holger und Ernst am Tisch, und Holger erzählte von so mancher Heimtücke
     der russischen Sprache und dass es ihm diesmal schwerer fallen würde,
Väter und Söhne
neu zu übersetzen als damals
Krieg und Frieden
, dass aber der Verlag, mit dem er neuerdings in Verhandlungen stand, jetzt tatsächlich ernsthaftes Interesse an seiner Übersetzung
     zeigte. Ernst gratulierte ihm und beschwerte sich, dass das Kopiergeschäft am Absaufen wär und er gezwungen, die Preise immer
     mehr zu senken. Die Leute würden ihren Professoren die Magisterarbeiten jetzt
mailen
, und die Profs würden sie sich dann in der Uni am Computer ausdrucken. Solche Zustände an deutschen Universitäten!
    Dann kamen Lisa und Sophie zurück, sie hatten sich umgezogen und sahen irrsinnig elegant aus, ganz in Schwarz. Sie hatten
     eng anliegende Etuikleider an, sehr edel, wie First Ladies, und Lisa trug dazu noch einen breiten, silbergetriebenen Armreif
     und Sophie ein Kettchen um den Hals, in das alle paar Zentimeter ein kleiner Diamant eingearbeitet war, und ich fragte mich,
     ob das wohl ein Geschenk von Ernst war, denn ich hatte es noch nie zuvor an ihr gesehen. Na, und ich trug weiße Sandalen und
     mein rotes Pannesamtkleidchen, das Einzige, was an mir schwarz war, waren meine Strümpfe, und ich war ein bisschen beschämt
     darüber, dass die beiden in gewisser Weise besser vorbereitet waren als ich.
    Na, egal, das Essen war fertig. Wir aßen die Lammkeule und dazu Lisas selbst gebackenes Brot und tranken Ernsts Rotwein. Es
     war eine nette und gelöste Stimmung, und ich war gespannt, was Ernst sich für mich ausgedacht hatte. Er hatte ja versprochen,
     dass ich gar nichts merken würde.
    Als das Essen fertig war, haben wir getanzt. Lisa legte Schallplatten auf, und ich tanzte mit Holger und Ernst mit Sophie,
     und als Lisa auch mal mit Holger wollte, da setzte |98| ich mich an den Tisch und trank Rotwein und wurde immer lustiger und dann hab ich allein getanzt. Lisa merkte, dass ich immer
     ausgelassener wurde, ich kicherte beim

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