Henker-Beichte
Jedenfalls deutet alles auf eine afrikanische Magie hin. Ich denke da an Voodoo.«
»Eine Rache?«
»Ja. Die Rache eines Menschen, der durch den Henker Cresson geköpft worden ist.«
»Mit Logik kommen wir da wohl nicht weiter.«
»Nein, aber es gibt eine Lösung, dessen bin ich mir sicher. Wir reden dann später darüber. Ich habe dich nur kurz vorwarnen wollen. In einer Stunde werden wir wohl bei euch sein.«
»Wir warten.«
Auguste Cresson stand schon an der Zelle, als ich auflegte und sie verließ. Er hatte zwei Baguettes mit Käse besorgt und auch etwas zu trinken.
»Setzen wir uns auf die Bank«, schlug ich vor.
»Genau.«
Erst als wir saßen, fragte er: »Was hat der Abbé denn so alles gesagt?«
»Er freut sich auf uns.«
»Danke. Und sonst?«
Ich trank den Kaffee aus der Papptasse, von der ich zuvor den Deckel entfernt hatte. Dann schluckte ich den zweiten Bissen und wischte über meine Lippen. »Ich habe ihm natürlich davon berichtet, was uns widerfahren ist.«
»Ja, ja… und?« Er wurde plötzlich hektisch. »Der Abbé wird die Augen offenhalten.«
»Das heißt, er schaut nach den Schwarzen.«
»Ich habe es ihm geraten.«
Cresson starrte mich an. Er lächelte, aber nicht freundlich, mehr wissend. »Dann sind Sie mit mir einer Meinung, daß diese beiden Männer nicht ganz einwandfrei sind?«
»Wir müssen eben alles im Auge behalten und wachsam sein.«
Wir aßen die Baguettes und schwiegen in der restlichen Zeit. Von der Bank aus schauten wir nach Süden, und wir sahen im Licht der Sonne die Landschaft liegen, in die wir hineinfahren mußten. Ein Erdkundelehrer hätte die Ausläufer der Pyrenäen seinen Schülern als Mittelgebirge verkauft. Wir blickten in die Richtung, wo auch der kleine Ort Alet-les-Bains lag und nicht weit davon entfernt die Kathedrale der Angst, eine schmale Felsschlucht, in der das silberne Skelett des Hector de Valois lag, des Mannes, der praktisch in mir wiedergeboren war.
Wir stopften die leeren Tassen in einen nahen Papierkorb und gingen wieder zu unserem Wagen zurück. »Der Rest ist ein Kinderspiel«, sagte ich und lächelte.
Cresson verzog die Lippen. »Hoffentlich, John.«
»Sie sind skeptisch?«
»Bin ich immer in den letzten Tagen. Diese Stunden wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht.« Bevor er einstieg, durchsuchte er den Wagen ziemlich genau.
»Was ist los?«
»Ich habe nur an die beiden Schlangen gedacht, die wie durch Zauberei in mein Zimmer gelangt sind. Könnte ja sein, daß man sie uns auf die Sitze gelegt hat.«
»Die sind leer.«
»Glücklicherweise.«
Wir stiegen ein, ich startete, und als wir vom Parkplatz rollten, wunderte ich mich über Cressons Verhalten. Ich sprach ihn darauf an, und er hob die Schultern. »Genau erklären kann ich Ihnen das auch nicht, John, aber es ist schon etwas daran. In der letzten Zeit fühle ich mich wirklich unwohl.«
»Wie?«
»Na ja, es ist schwer zu erklären. Ich habe den Eindruck, als käme da etwas auf uns zu, das wir noch nicht sehen können. Es ist wie eine gewaltige Wolke, die sich noch im Hintergrund hält, aber nicht mehr lange auf sich warten läßt.«
»Meinen Sie?«
»Ja!«
»Wir werden sehen.«
Sehr schnell hatte sich die Landschaft verändert. Abgesehen davon, daß die Straße längst nicht mehr so breit war wie die Autobahn, mußte ich den Laguna auch durch zahlreiche Kurven lenken. In Serpentinen ging es hinauf nach Alet-les-Bains. Zunächst lag der größere Ort Limoux vor uns. Die Straße führte direkt hindurch, und wir erlebten das typische Flair des Südens. Diese Leichtigkeit, mit der die Menschen lebten. Die Straßencafes hatten längst geöffnet, und viele Tische waren besetzt.
Mit sehnsüchtigen Blicken beobachtete Cresson das bunte Treiben, seufzte hin und wieder, gab aber keinen Kommentar.
Wir durchfuhren die Stadt.
Wieder dünnte der Verkehr aus. Wir schienen die einzigen zu sein, die den Weg nach Alet-les-Bains suchten. Wer in den Süden wollte, der fuhr Strecken, auf denen er schneller vorankam.
Eine herrliche Landschaft präsentierte sich uns. Sie stand in voller Blüte.
Bäume zeigten ihr Frühlingskleid, die Luft war warm, der Wind weich, und ich hatte mein Fenster nach unten fahren lassen, um etwas von der frühlingshaften Frische zu genießen.
Dabei kannte ich diese Landschaft auch anders. Sowohl im Winter im Schneekleid als auch im Sommer, wo die Sonne gnadenlos schien und den Boden verbrannte, wie jetzt im Süden Spaniens, wo das Trinkwasser bereits
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