Henker-Beichte
Augenblick konnte Cresson zurückweichen, und dann stand der Abbé vor ihm. »Was ist los, Auguste?«
Cresson konnte nicht reden. Der ehemalige Henker mußte erst nach Worten suchen. Dabei schaute er sich scheu um, und Bloch folgte dem Blick des Mannes in Richtung Fenster, wo aber nichts zu sehen war, abgesehen von dem Knochensessel. Es war möglich, daß ihn dieser Gegenstand erschreckt hatte, aber glauben konnte es der Abbé nicht so recht.
»Er… er… war da!« stieß Cresson schließlich hervor.
Bloch schloß die Tür. »Wer war da?«
»Der Schatten!«
»Bitte?«
»Ja, ja!« schrie Cresson und schlug mit den flachen Händen auf seine Oberschenkel. »Der Schatten des Beils. Ich habe ihn gesehen. Er drang durchs Fenster in dieses Zimmer. Er hat sich mir gezeigt. Er wollte mir beweisen, daß ich nicht sicher bin. An keinem Platz der Welt. Auch bei euch nicht, verdammt!«
Der Abbé schwieg, drückte Cresson aber zurück, so daß sich dieser wieder an den Tisch setzen konnte. Der Raum war leer, es gab keine Schatten, außer den normalen, und Bloch trat an einen schmalen, dunklen Schrank heran, wo er eine Tür öffnete. Er holte eine Flasche und zwei Gläser hervor. Beides stellte er auf den Tisch.
Cresson saß in gekrümmter Haltung da, Arme und Kopf auf dem Tisch.
Er stöhnte leise vor sich hin und schaute erst hoch, als er das Gluckern hörte, mit dem der Selbstgebrannte in die Gläser lief.
»Sie sollten einen Schluck trinken.«
»Ha – das hilft auch nichts.«
»Man weiß nie.«
»Ein Selbstgebrannter Schnaps.«
»Bon.« Auguste nahm das Glas. Er schaute kurz hinein und kippte das Zeug in die Kehle, zugleich mit dem Abbé, der ebenfalls einen Schluck vertragen konnte.
Beide stellten die Gläser sofort ab und schüttelten sich auch, als hätten sie sich abgesprochen.
»Nun?«
Cresson hob die Schultern. »Ich bleibe bei meiner Aussage«, flüsterte er. »Der Schatten war hier.«
»Das bestreite ich auch nicht.«
»Ja«, murmelte der Henker, »warum auch? Ich bin nur froh, daß ich nicht mehr allein hier hocke. Was haben Sie denn erreicht?«
»Nun ja, ich habe zwei meiner Brüder losgeschickt, um Sinclair zu suchen. Dann sind einige unterwegs, um den Ort zu durchforsten, denn ein Wagen, so wie Sie ihn beschrieben haben, muß eigentlich auffallen. Niemand fährt hier einen schwarzen Chrysler.«
»Er ist bestimmt schon da«, sagte Cresson leise. »Diese Hundesöhne sind schnell. Sie haben ihre Rache von langer Hand vorbereitet – und ich…« Er hob die Schultern. »Verflucht noch mal, ich kann es ihnen nicht mal verübeln. Ich habe Okubas Vater getötet, einen Medizinmann, der mir noch kurz vor seiner Hinrichtung Rache schwor, aber ich habe damals nur darüber gelacht. Ich nahm ihn nicht für ernst. Ich hielt das alles für primitiven Mist. Jetzt muß ich das ernten, was ich damals gesät habe.« Er drehte seine Hände um und legte sie mit den Handrücken auf die Tischplatte. »Schauen Sie sich die Hände an, Abbé. Schauen Sie bitte genau hin. An ihnen klebt Blut, viel Blut, auch wenn man es ihnen nicht ansieht. Es ist die Wahrheit. Ich habe die Menschen umgebracht, ich habe sie geköpft, und ich bin dafür bezahlt worden. Hätte ich es nicht getan, dann wäre mein Leben vorbei gewesen. Wer nicht in der Stromlinie des selbsternannten Kaisers Bokassa schwamm, der wurde vernichtet.«
»Sie haben etwas gesagt, das ich genau verstanden habe, Auguste. Ich bin Ihnen etwas schuldig. Sie haben sich für mich eingesetzt, aber ich kann Ihnen nicht sagen, daß ich Sie verstehe oder Verständnis für Sie habe.«
»Das ist vollkommen klar, Abbé, denn uns trennen wirklich Welten.« Er verzog die Lippen. »Sie stehen auf der positiven Seite, ich auf der negativen. Das Leben hat die Karten gemischt, und ich habe die falschen gezogen.«
Auch der Abbé hatte sich wieder gesetzt. »Sie haben gesündigt, Auguste, das steht fest. Sie haben das Blut zahlreicher Unschuldiger vergossen, damit müssen Sie fertigwerden. Niemand kann Ihnen dabei helfen und Ihr Gewissen beruhigen, das wissen Sie so gut wie ich. Es ist alles klar, was die Vergangenheit angeht, doch nun sollten wir in die Zukunft schauen, und damit meine ich die nächsten Stunden und die vor uns liegende Nacht, die wir beide überstehen müssen.«
»Das schaffen wir nicht!«
»Abwarten und Kopf hoch. Denken Sie daran, daß wir nicht allein sind und einen Mann wie John Sinclair…«
»Der nicht hier ist, Abbé.«
»Er wird kommen!«
»Was macht
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