Henker-Beichte
Sie so sicher?«
»Ich kenne ihn.«
»Er wurde niedergeschlagen. Man weiß nicht, wie schwer er verletzt ist.«
»Das wird sich alles herausstellen, aber John Sinclair besitzt eine Waffe, die sehr stark ist. Vielleicht haben Sie schon einen Bück auf sein Kreuz werfen können und…«
»Ja, im Flieger.« Er räusperte sich. »Der Schatten ist schnell verschwunden. Ob es allerdings an der Existenz des Kreuzes gelegen hat, weiß ich auch nicht. Es kann auch andere Gründe gegeben haben.«
»Ich gebe Ihnen recht, wir wollen darüber nicht weiter diskutieren. Ich möchte noch einmal auf den Schatten zurückkommen. Sie haben ihn gesehen, ohne den Gegenstand entdeckt zu haben, der den Schatten geworfen haben könnte.«
»Das stimmt.« Cresson hob den Finger. »Aber Sie müssen eines bedenken. Der Schatten kann sich zeigen, ohne daß etwas vorhanden ist, das ihn zeichnet. Das ist der Unterschied. Wir haben es hier mit einem nicht erklärbaren Phänomen zu tun, zumindest ist es das für mich. Ich weiß nicht, wie Sie darüber denken…«
»Ich nehme es hin.«
Cresson schwieg. »Und was werden wir noch unternehmen?« fragte er nach einer Weile.
Der Abbé lächelte. »Wissen Sie, mein Lieber, ich bin für einige Zeit blind gewesen. Es war schlimm für mich, aber ich habe auch dabei gelernt, geduldig zu sein. Vielleicht auch demütig, wer kann das schon genau sagen? Jedenfalls müssen wir die Zeit nützen, solange noch nichts passiert ist. Der Schatten wird zurückkehren, dessen bin ich mir sicher, und ich glaube auch daran, daß er sich materialisiert und plötzlich das Henkersbeil über uns schwebt.«
»Uns, sagen Sie?«
»Ja, warum nicht?«
»Aber ich bin gemeint.«
»Ich werde an Ihrer Seite sein!« sagte Bloch.
Cresson lehnte sich zurück. »Wissen Sie, Abbé, es ist alles so schwer für mich, so schrecklich schwer zu ertragen. Ich komme mit diesen Dingen nicht zurecht. Sie haben mich erwischt wie ein Blitz aus heiterem Himmel, ich kann nur noch versuchen, Reue zu zeigen, bevor ich sterbe.«
»Rechnen Sie denn mit Ihrem Tod?«
»Ja, Abbé, ja!« Cresson schaute sein Gegenüber fest an. »Damit rechne ich!«
»Sie sollten etwas Optimismus zeigen. Klar, ich verlange da viel von Ihnen, aber…«
»Bitte, ich möchte noch eines.«
»Und was?«
Auguste Cresson schluckte erst seine Kehle frei, bevor er eine Antwort gab. »Ich möchte beichten, Abbé«, flüsterte er. »Ja, ich möchte hier bei Ihnen meine Beichte ablegen.« Beinahe flehentlich schaute er den Freund an. »Sind Sie einverstanden?«
Bloch brauchte nicht lange, um seine Antwort zu geben, und sie klang auch ehrlich. »Ja, ich bin einverstanden.«
»Gut, gut«, flüsterte Cresson. Er faßte an seine Brust. »Der Stein ist weg, und ich möchte Sie bitten, daß wir mit der Beichte beginnen…«
»Dem steht nichts im Wege.«
***
Der Bus hatte wieder gehalten, und zwei Typen waren noch zugestiegen. Sie gehörten zur jungen Generation und waren so gekleidet, als wollten sie zum Baseballspiel gehen. Schirmmützen verkehrt herum, sie trugen Jeans, die Löcher und Risse zeigten, hatten auch Sweatshirts übergestreift und benahmen sich cool und lässig, wie man so schön sagt, was im Endeffekt bedeutete, daß sie überhaupt kein Benehmen im eigentlichen Sinne hatten, denn sie gingen durch den Mittelgang und sahen alles, was fest verankert war, als ihre Feinde an.
Mit den hohen Schuhen, die Springerstiefeln ähnelten, aber weicher waren, traten sie gegen die Sitze und Stangen. Auch vor mein Schienbein.
Ich hatte es im letzten Augenblick noch ein Stück zurückziehen können, so wurde ich nur gestreift. Trotzdem zuckte ich zusammen und schaute in die Höhe.
Zwei grinsende Gesichter starrten auf mich nieder. Ich gab keinen Kommentar ab und drückte mich ein Stück zum Fenster hin. Ich wollte keinen Ärger, sondern nur einfach in Ruhe gelassen werden, denn die tat meinem malträtierten Kopf gut und auch dem Magen, der noch unter den Folgen des Treffers zu leiden hatte.
Lachend gingen die beiden Typen weiter. Irgendwo hinter mir lümmelten sie sich auf die Sitze.
Der Bus war wieder angefahren, und ich kriegte die Unebenheiten der Straße doppelt zu spüren. Immer dann, wenn sie zu stark waren, zuckten Stiche durch meinen Kopf.
Wir rollten durch die leere, aber wunderschöne Landschaft, und die am Himmel stehende Sonne hatte allmählich einen anderen Farbton bekommen. Das grelle Gelb war verschwunden und hatte einem satten Eierfarbton Platz
Weitere Kostenlose Bücher