Henkersmahl
leise. »Etwas essen solltest du auch.«
Dankbar führte Florian das Glas an die Lippen und griff nach einer Käseschnitte.
Marianne wartete einen Moment. »Besser?«
»Fast schon wieder topfit.« Florian fegte ein paar Krümel von seinem Schoß und erhob sich, trotz der noch vorsichtigen Bewegungen darauf bedacht, einen vitalen Eindruck zu vermitteln. Als er stand, fühlte er sich erleichtert, die Schwäche war glücklicherweise nur vorübergehend gewesen. »Alles in Ordnung.« Florian lächelte und strich sich mit beiden Händen locker über die Oberschenkel. »Kleiner Betriebsunfall, zu wenig Schlaf.«
»Das kenne ich«, erwiderte Marianne mitfühlend.
Seine Stimme hatte ihre alte Festigkeit wiedererlangt, als Florian fragte: »Max’ Laptop ist nicht zufällig hier?«
»Nein, wieso?«
»In der Redaktion konnte ich ihn auch nicht finden.« Florian schwieg einen Augenblick. »Weißt du, ob Max in letzter Zeit neue Essgewohnheiten entwickelt hat? Ich meine, aß er andere Dinge als üblich?«
»Keine Ahnung.« Marianne seufzte tief, dann sagte sie: »Das Beste wird sein, du siehst mal in seinem Kühlschrank nach.« Sie verschwand einen Moment im Flur. Als sie wiederkehrte, hielt sie ungeschickt balancierend mehrere Dinge in den Händen, aber Florian erkannte sofort, worum es sich handelte. »Nimm. Ich hoffe, du kannst etwas damit anfangen.« Sie streckte ihm die Sachen entgegen.
Florian musste lächeln. Marianne hatte ihm nicht nur Max’ Wohnungsschlüssel und sein Handy gebracht, sondern auch seinen Terminkalender.
13
Florian steckte den Schlüssel in das Schloss von Max’ Wohnungstür in der Darmstädter Straße in der Südstadt, und sie öffnete sich erstaunlicherweise schon nach einer halben Umdrehung. Er stutzte, wusste er doch, dass Max die Gewohnheit gehabt hatte, zweimal hinter sich abzuschließen. Florian hatte sich oft darüber lustig gemacht, doch jetzt kam ihm Max’ Vorsicht plötzlich sehr vernünftig vor.
In den letzten Jahren war das Klima rund um den Chlodwigplatz eindeutig rauer geworden. Er und Max hatten in unmittelbarer Nähe zueinander gewohnt, seine eigene Wohnung lag in der Kurfürstenstraße, gleich um die Ecke, und auf einmal musste Florian daran denken, wie oft sie sich abends hier in der Südstadt im ›Früh em Veedel‹, einer urigen Eckkneipe, in der die Köbesse die Grenze der Ruppigkeit nie überschritten, noch auf ein paar Kölsch verabredet hatten.
Florian schob den Gedanken rasch beiseite und inspizierte die Tür genauer. Er bemerkte dunkle Spuren und war sich plötzlich sicher, dass bei Max eingebrochen worden war. Florian überlegte einen Moment, ob er die Polizei benachrichtigen sollte, aber seine Neugier siegte. Vorsichtig öffnete er die Tür und trat ein. Er lauschte, nichts rührte sich. Leise schlich er durch den Flur und stieß behutsam die Tür zum Wohnzimmer auf. Niemand da. Florian atmete erleichtert auf, dabei bemerkte er, dass es stickig roch, die Heizung lief offenbar auf Hochtouren. Energisch öffnete er das Fenster und drehte den Heizkörper ab.
Die frische Luft flutete den Raum, und Florian überkam ein leichtes Frösteln. Als er die Tür zum Schlafzimmer öffnete, sah er, dass die Schranktüren sperrangelweit offen standen, Max’ Kleidung lag über den Boden verstreut.
In Max’ Arbeitszimmer sah es ähnlich aus. Irgendjemand hatte ganz offenkundig etwas gesucht. Ob etwas fehlte, konnte Florian jedoch auf Anhieb nicht feststellen. Der Computer stand an seinem gewohnten Platz, aber Max’ Laptop konnte er auch hier nirgends entdecken.
Zielstrebig ging er zurück ins Wohnzimmer, wo das Telefon stand. Ihm war klar, dass er eigentlich sofort die Polizei benachrichtigen müsste, aber zunächst wollte er tun, wozu er hierher gekommen war. Sein Blick fiel auf den blinkenden Anrufbeantworter.
Florian drückte entschlossen auf die Play-Taste.
Curt aus der Redaktion. Aufgeregt bat er Max dringend um Rückruf, denn er wollte wissen, ob Max noch jemand anderes aus einer Kölner Jugendgang kenne, den er für die geplante Sendung anfragen könnte. Dieser Garcia wolle plötzlich nicht mehr kommen.
Florian drückte erneut auf die Taste. Diesmal war es ein Squashpartner, der sich mit ihm verabreden wollte. Dann ertönte Mariannes Stimme. Fröhlich erzählte sie, dass sie um acht gefrühstückt habe, ein Croissant mit Kirschmarmelade, dann habe sie die Wohnung aufgeräumt und entgegen ihrer Prinzipien schon mittags ferngesehen.
Florian fragte sich,
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