Henkersmahl
die Pflastersteindecke auf dem Heumarkt kam ihm in den Sinn, die ebenfalls aufgrund eines Rechenfehlers gleich mehrfach verlegt werden musste, und der Einsturz des historischen Stadtarchivs setzte allem die Krone auf.
Florian Halstaff wandte sich nach rechts und ging im Eilschritt auf die mittelalterliche Severinstorburg zu, in deren unmittelbarer Nähe sich das ›Früh em Veedel‹ befand, wo Jana hoffentlich immer noch saß und auf ihn wartete. Ein Windstoß wirbelte ein paar vom Karneval übrig gebliebene Kamellepapiere auf, und ließ sie flach vor seinen Füßen über den Boden tanzen. Florian ging schneller und sehnte sich danach, dass es endlich Frühling würde. Wie die meisten Kölner fand er die Stadt im Herbst und Winter unwirtlich und hässlich. Und wie die meisten Kölner klagte auch Florian über das Grau, das sich nach kurzen Tagen, aber langen Monaten auf Häuser und Menschen legte und sie an die Theken trieb. Er atmete tief durch. Hier, in der Südstadt, wo es eine breite Kultur- und Kneipenszene gab, bekam er glücklicherweise immer wieder das Gefühl, mitten im Leben zu stehen.
Florian zuckte zusammen. Unmittelbar rechts neben sich hatte er aus den Augenwinkeln einen schwarzen Schatten bemerkt. Abrupt blieb er stehen, doch nirgendwo rührte sich etwas. Er war gerade im Begriff, sich wieder in Bewegung zu setzen, als er ein wütendes Fauchen hörte, dann sah er, wie etwas vor seinen Füßen über den Bürgersteig fegte. Erleichtert lachte er auf. Hatte die ihm einen Schreck eingejagt, er war wirklich dünnhäutig geworden. Links vor sich sah er eine große schwarze Katze im nächsten Gebüsch verschwinden. Florian fiel ein, dass er in der Hektik des Aufbruchs ganz vergessen hatte, Zicke etwas zu Fressen zu geben.
Er stieß die Tür zum ›Früh em Veedel‹, die nur angelehnt war, auf und bahnte sich an der Theke entlang den Weg in den hinteren Teil des Lokals, wo Jana an einem eckigen Holztisch saß und auf ihn wartete.
Stimmengewirr durchdrang den Raum. Florian verspürte plötzlich eine unbändige Lust auf eine Zigarette. Er hoffte, dass er den Abend, ohne schwach zu werden und ohne am Zigarettenautomaten zu kapitulieren, überstehen würde.
Jana hatte ihre Lippen rot geschminkt und etwas Rouge aufgelegt. Trotz ihrer auffallenden Blässe stand ihr die Farbe gut, denn der Kontrast unterstrich vorteilhaft ihre markanten Wangenknochen. Florian legte Jana zur Begrüßung mit sanftem Druck eine Hand auf die Schulter, warf seinen Trenchcoat über einen Stuhl und setzte sich. Er nahm einen leichten Hauch ihres Parfums wahr. Am liebsten hätte er mehr davon gerochen, unterdrückte aber den Impuls, näher zu ihr zu rücken.
»Entschuldige, dass ich zu spät bin, ich war so erledigt, dass ich sofort einschlief, als ich nach Hause kam.« Florian rutschte ein wenig auf seinem Stuhl hin und her, um die bequemste Sitzposition zu finden.
»Ist schon o. k.«
»Was trinkst du da?«
»Campari Orange.«
»Kein Kölsch?«
»Ich bin nicht so ein Kölsch-Fan.« Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu: »Es ist übrigens schon der zweite.«
Florian tat, als bemerkte er den verhaltenen Vorwurf nicht, und blickte sich im Raum um. »Gute Idee.« Er wandte sich an die Kellnerin und bestellte dasselbe.
»Und?« Jana sah ihn erwartungsvoll an. Florian senkte die Stimme und sagte: »Max hat in dem Fitnessstudio, bevor er starb, zwei Kölsch getrunken, zwei Kopfschmerztabletten genommen und ein belegtes Brot gegessen, das ihm vermutlich ein Unbekannter angeboten hat.«
Jana runzelte die Augenbrauen und Florian fuhr fort. »Max hat nie etwas zu essen mit in das Fitnessstudio genommen, da bin ich sicher. Der Wirt hat es ihm jedenfalls nicht geschmiert.«
»Hast du mehr in Erfahrung bringen können?«
»Nein. Aber stell dir vor, bei Max wurde eingebrochen.«
»Du lieber Himmel. Woher weißt du das?«
»Als ich bei seiner Mutter war, hat sie mir sein Handy, den Terminkalender und seinen Schlüssel gegeben. Und da bin ich zu ihm gefahren und habe entdeckt, dass jemand den Inhalt der Schränke auf dem Boden verteilt hat.« Florian zog den Terminkalender aus der Tasche seines Trenchcoats, legte ihn auf den Tisch und blätterte in den Seiten. »Also, für gestern ist keine Verabredung vermerkt. Es steht hier nur bei 19 Uhr ›Training‹ .
Florian sah auf.
»Vielleicht hat Max nichts eingetragen, weil die Verabredung sich erst kurz vorher ergeben hat«, mutmaßte Jana.
»Möglich. Augenblick, hier ist noch
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