Henkersmahl
»Gute Wahl. Seine Vorhand ist galaktisch.«
»Und die Rückhand wird mir Angst einjagen?«
»Eher die Kondition. Nach 45 Minuten wird er erst richtig warm.«
Vor seinem inneren Auge sah Florian, wie seine Mutter am anderen Ende der Leitung lächelte. »Hat Fresemann bei Fresko nicht mal Schwierigkeiten gehabt?« erinnerte er sich plötzlich.
»Kann schon sein«, antwortete sie ausweichend.
Florian fand die Antwort typisch für seine Mutter. Immer diskret. Er hakte nach. »War er vor einigen Jahren nicht in eine Korruptionsaffäre verwickelt?«
»Ja, eine ziemlich dumme Sache.« Marie-Louise legte eine Pause ein, bevor sie weiter ausholte. »Aber man konnte ihm nichts nachweisen. Ich gehe übrigens davon aus, dass er tatsächlich nicht in die Schmiergeldaffäre involviert war, die damals fast die ganze Führungsriege betroffen hat«, sagte sie bestimmt.
»Was war da eigentlich genau los?« Florian musste den Hörer fester an sein Ohr pressen, um die Stimme seiner Mutter verstehen zu können, aber es war so gut wie hoffnungslos, denn vom Flur drang die verärgerte und stetig lauter werdende Stimme Jörn Carlos in sein Büro. Florian vernahm die Worte »Schnapsidee« und »Barrick«, und, wieder etwas leiser werdend, hörte er Carlo fluchen: »Dieser Idiot!« Offenbar hatte Regine Carlo gerade beigebracht, dass er demnächst nach diversen Moderationstrainings noch besser moderieren würde. Es folgte das laute Knallen einer Tür, dann trat wieder Ruhe ein.
Katja war also richtig informiert gewesen. Florian fragte sich, woher sie eigentlich immer als Erste den neuesten Klatsch kannte.
»Entschuldige, Mutter, kannst du das wiederholen?« Florian nahm einen Stift zur Hand und zog, den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, mit der rechten Hand ein Blatt Papier heran.
Marie-Louise versuchte es erneut. »Also, Fresemann wurde vor einigen Jahren beschuldigt, Bestechungsgelder aus der Agrarindustrie angenommen zu haben, genauer gesagt, aus der Milchwirtschaft.« Sie hielt kurz inne und schien zu überlegen, ob sie weitersprechen solle. »Es ging darum, dass zur Herstellung der Fresko-Produkte Joghurt, Butter, Käse und große Mengen Milch von einem Produzenten aus Schleswig-Holstein abgenommen wurden, obwohl regionale Anbieter günstiger gewesen wären. Schließlich hat sich aber herausgestellt, dass der zweite Geschäftsführer des Unternehmens in die Korruptionsaffäre verwickelt war und Fresemann tatsächlich nichts davon gewusst hat. Der zweite Geschäftsführer – ich glaube, er heißt Mertens oder so ähnlich – ist wegen Bestechlichkeit angeklagt und verurteilt worden. Wenn ich mich richtig erinnere, hat er mehr als eine Million Bestechungsgelder kassiert. Damals in D-Mark.«
»Interessant«, sagte Florian und überlegte. »Normalerweise hätte doch aber der erste Geschäftsführer davon etwas mitkriegen müssen.«
»In diesem Fall nicht«, antwortete seine Mutter. »Mertens hatte die Angebote der Konkurrenz gefälscht, sodass es schien, als sei der schleswig-holsteinische Betrieb tatsächlich der günstigere Anbieter.«
»Dafür hat Mertens sicher ein paar Jährchen gekriegt.«
»Drei Jahre und sechs Monate. Ich war damals im Gerichtssaal.«
»Ich wusste gar nicht, dass du dich für so etwas interessierst.« Florian bekam große Augen.
»Ach, so ein kleiner Prozess, das hat doch was«, sagte Marie-Louise.
»Dann weißt du vielleicht auch, wer der Großproduzent war?«
Marie-Louise schwieg einen Augenblick und überlegte, dann sagte sie: »Ich meine, es war die Milchzentrale Hagebiel-Nord. Wieso willst du das eigentlich alles wissen?«
Er ging über ihre Frage hinweg und wollte stattdessen wissen, ob seine Mutter sich erinnern könne, wann die Affäre gewesen sei.
»Du weißt, ich hasse es, wenn du auf eine Frage von mir mit einer Gegenfrage antwortest.« Ihre Stimme war scharf geworden.
Florian entschuldigte sich und erklärte: »Unter Umständen ist Fresko einer der Betriebe, die unter Verdacht stehen, etwas mit den verseuchten Nahrungsmitteln zu tun zu haben.«
»Ach. Fresko-Produkte esse ich glücklicherweise sowieso nicht. Denen fehlt das gewisse Etwas. Plant ihr eine Sendung darüber?«
»Planen wäre zu viel gesagt. Wir bereiten eine Sendung vor. Natürlich nicht über den Käse und die Joghurts allein. Regine Liebermann will, dass ich das Krankheitsthema weiter recherchiere und da dachte ich mir, dass in diesem Zusammenhang ein persönlicher Kontakt ganz hilfreich sein
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