Henkersmahl
sah Eddie prüfend an: »Wenn du wie ich die Wahrheit erfahren möchtest, könntest du mir bei der Recherche behilflich sein.«
»Du meinst, Detektiv spielen?«
»Ja«, antwortete Florian.
Eddie hob vorsichtig die Tasse Espresso, den die Kellnerin inzwischen auf den Tisch gestellt hatte, an seine Lippen. Auf der Untertasse schwamm eine dunkelbraune Pfütze. Florian lehnte sich geduldig zurück und verstaute seine langen Beine neben dem Tisch, damit sie nicht Eddies langen Beinen in die Quere kamen. Aufmerksam beobachtete er, wie Eddie die Tasse auf die Untertasse zurückstellte.
»Gut. Gehen wir von Annahme eins aus. Was gäbe es für ein Mordmotiv?«
»Angst. Angst davor, dass Max als Redaktionsleiter in der ehemals geplanten Sendung über die mysteriösen Krankheitsfälle etwas aufdeckt, was nicht aufgedeckt werden darf.«
»Hast du irgendeinen Anhaltspunkt, was das sein könnte?«
»Leider nein. Aber, wie ich bereits sagte, ist sein Laptop verschwunden. Vielleicht hat sich darauf irgendeine Information befunden, von der der Anrufer oder der Mörder wusste und die ihm hätte gefährlich werden können.«
»Käme jemand aus der Redaktion in Betracht?«
»Das halte ich für unwahrscheinlich.« Florian stützte den Kopf in beide Hände, eine Geste, die in den letzten Tagen immer häufiger bei ihm vorkam. Plötzlich verspürte er leise Zweifel. Curt war nie ein besonderer Freund und Bewunderer von Max gewesen, ganz im Gegenteil. Aber Neid und beruflich ambitionierte Missgunst reichten als Motiv nun wirklich nicht aus, das traute er Curt nicht zu. Dass andererseits eines der Redaktionsmitglieder in den Lebensmittelskandal verwickelt sein sollte, hielt er für absurd. Er verwarf den Gedanken, der ihm eben erst gekommen war, wieder und nahm sich aber vor, Jana darum zu bitten, einmal die persönliche Vita der Kollegen unter die Lupe zu nehmen.
Florian sagte: »Mir liegt eine Liste vor, die Namen und Anschriften aller Erkrankten enthält.«
Eddie fragte nicht danach, woher Florian die Liste hatte. Ein guter Journalist gibt seine Quellen in der Regel nun mal nicht preis, und Eddie respektierte dies von vornherein.
»Um alles, was die klassische Routinearbeit ausmacht, also Check der Ernährungsgewohnheiten, sämtlicher demografischer und geschlechtsspezifischer Daten, brauchen wir uns nicht zu kümmern. Das erledigt die Polizei, und an diese Informationen komme ich heran.«
Eddie hob erstaunt die Augenbrauen. »Hast du schon welche?«
Florian nickte. »Ich weiß, dass von den 38 Opfern 31 zwischen 16 und 26 Jahre alt sind, die restlichen sieben sind zwischen 27 und 65 Jahre alt. 25 der Betroffenen sind männlich. Auffällig ist, dass keiner der Betroffenen ein Nettoeinkommen über 2.000 Euro hat. Die Betroffenen stammen zum großen Teil aus dem Kölner Norden. Ich habe es dir aufgeschrieben.«
Florian reichte Eddie einen Zettel, den dieser entgegennahm und durchlas. »Kann nicht erkennen, dass uns diese Informationen bereits weiterhelfen.«
»Ich auch nicht. Vielleicht kommt das ja noch und es fügt sich ein Puzzleteilchen in das andere. Es muss irgendetwas geben, das die Betroffenen gemeinsam haben. Die Polizei tappt offensichtlich im Dunkeln.« Florian gab Eddie auch die Liste mit den Namen der Betroffenen und sagte: »Wäre toll, wenn du die übernehmen könntest, die ich angekreuzt habe.«
Eddie nickte. »Vielleicht ist es ein bestimmter Supermarkt, der uns auf die richtige Spur führt, oder ein spezielles Restaurant, in dem sie essen waren, wer weiß.«
Florian sah auf und dachte daran, dass er unbedingt den Tisch bei Alfredo, den er für Samstag reserviert hatte, abbestellen musste. Er sagte: »Ich kenne übrigens die Namen der Produkte, in denen die Glutamatderivate enthalten sind, und die Namen der Hersteller.«
»Hut ab, Kollege.« Eddie war ganz offensichtlich beeindruckt.
»Fresko übernehme ich, die produzieren Milchprodukte. Joghurt, Butter, Quark und den Frischkäse.« Florian sah Eddie an.
»Dann gib mir Informationen über die andere Firma.« Auffordernd streckte Eddie ihm die Hand hin. Florian zögerte unmerklich, die Geste kam ihm ein wenig zu schnell. Schließlich reichte er ihm bewusst langsam Namen und Anschrift des Schokoladenherstellers Chocolat Royal Suisse, der vor gut zwei Wochen die Vollmilchschokolade mit dem Glutamatderivat auf den Markt gebracht hatte. Eddie betrachtete den Zettel wortlos, dann steckte er ihn in seine Hosentasche.
»Die Sendung wurde doch nur verschoben,
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