Henkersmahl
nachweisbaren giftigen Substanz ermordet wurde. In diesem Fall müssten wir, um den Nachweis überhaupt führen zu können, aufwendige toxikologisch-chemische Analysen durchführen lassen. Hier in unserer Klinik sind wir dazu gar nicht in der Lage. Wir müssten Blutproben der Leiche an ein Speziallabor schicken, was dabei herauskommt, ist völlig ungewiss.«
Florian sah ihn fragend an und Dr. Sinzig erklärte weiter: »Manche Gifte wirken bereits in sehr geringer Dosis, sodass die im Körper verteilte Menge im Nanogrammbereich liegen könnte und nur äußerst schwer nachweisbar ist. Was Botulinumtoxin betrifft, so sind 0,1 Mikrogramm für eine tödliche Dosis ausreichend. Andere Gifte werden wiederum im Körper so schnell umgewandelt, dass wir nur noch Abbauprodukte feststellen können.«
»Und ein Giftnachweis ist deshalb nahezu ausgeschlossen?« Florians Gedanken überstürzten sich.
»In jedem Fall äußerst schwierig.« Dr. Sinzig ergänzte: »Aber vielleicht haben wir Glück. Ich nehme Ihren Verdacht ernst und werde entsprechende mikrobiologische Untersuchungen in Auftrag geben, in ein Speziallabor nach Leipzig. Wie gesagt, hier bei uns in der Klinik haben wir nicht die technischen Möglichkeiten.«
Florian atmete auf: »Ich danke Ihnen.«
Dr. Sinzig sprach gedankenversunken weiter: »Bleibt die Tatsache, dass die Toxizität des Glutamatderivates für eine tödliche Vergiftung zu gering ist und wir nicht wissen, ob und welche Rolle der Alkohol spielt. Damit bliebe die Todesursache von Peter Mallmann und dieser Leiche hier weiterhin unklar.« Er deutete auf den vor ihm liegenden Mann: »Schließlich haben die beiden keine gefährlichen Recherchen durchgeführt, oder? Hier würden Sie doch einen Mord ausschließen?«
Die Ironie des Satzes klang in Florians Ohren, und er antwortete augenzwinkernd: »Mit höchster Wahrscheinlichkeit.«
Dr. Sinzig war Florian nicht unsympathisch, aber es störte ihn, dass er so oft den Ausdruck ›Leiche‹ benutzte. In Florians Ohren hörte sich der Begriff kalt an, so als hätten die Menschen mit Eintritt des Todes ihre Persönlichkeit abgelegt, als hätten sie nie eine Persönlichkeit besessen. Warum sprach Sinzig nicht einfach von Toten?
»Wann liegen die Ergebnisse der mikrobiologischen Analyse vor?«, fragte Florian.
»Das kann ein paar Tage dauern, vielleicht Anfang der nächsten Woche.«
»Rufen Sie mich an?«
Dr. Sinzig zögerte merklich. »Also gut, meinetwegen. Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie der Mordkommission all das erzählen, was Sie mir gerade erzählt haben. Ich werde den Staatsanwalt informieren.«
Florian nickte beflissen. »Eine letzte Frage habe ich noch. Wann ist bei Max der Tod eingetreten?«
»Warum wollen Sie das wissen?«
»Ich mache mir Vorwürfe. Wir sind um 20 Uhr verabredet gewesen und ich frage mich, ob ich ihn hätte retten können, wenn ich die Verabredung eingehalten hätte.«
»Sie hätten den Tod wahrscheinlich nicht aufhalten können. Er ist vermutlich innerhalb von 30 Minuten gestorben«, sagte der Arzt mit einer Spur von Mitgefühl in der Stimme.
»Bitte …« Florian sah den Rechtsmediziner an.
Etwas in seinem Blick bewog Dr. Sinzig dazu, nachzugeben. Er legte die Sektionsinstrumente in eine Schale, wusch und desinfizierte sich die Hände und griff zum Hörer des Telefons, das neben dem Waschbecken lag. Florian hörte, wie er jemanden darum bat, den ungefähren Todeszeitpunkt von Max Kilian in dessen Akte nachzuschlagen. Während Dr. Sinzig auf die Information wartete, sagte er: »Danach habe ich wirklich keine Zeit mehr für Sie.«
Florian nickte. Glücklicherweise dauerte es nicht mehr lange und der Doktor erhielt die gewünschte Information. Schwungvoll legte er den Hörer auf. »Vermutlich ist Max Kilian zwischen 20.30 Uhr und 21.30 Uhr gestorben. Zufrieden?«
Florian nickte kaum merklich mit dem Kopf. »Rufen Sie mich an, wenn die Ergebnisse aus Leipzig da sind?« Er reichte ihm seine Visitenkarte, die der Rechtsmediziner in seiner Kitteltasche verschwinden ließ. Wortlos zog er die Fingerhandschuhe aus Kunststoff über, kehrte Florian den Rücken zu und machte sich wieder an die Arbeit.
21
›Heute ab 22 Uhr im Billard Café in der Wilhelm-Mauser-Straße. Garcia M‹
Als Florian die SMS las, machte sein Herz einen kleinen Sprung. Er kannte das Billard Café in Bickendorf zwar nicht, aber er würde es schon finden. Ein rascher Blick auf die Uhr beruhigte ihn, es blieben ihm noch knapp
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