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Henkersmahl

Henkersmahl

Titel: Henkersmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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frühstücken. Keiner bekam etwas mit. Und als plötzlich der Mann in meinem Schlafzimmer stand, habe ich nur noch geschrien. Mich mit Händen und Füßen gewehrt. Schließlich ergriff er die Flucht. Ich habe nach wie vor Probleme, einzuschlafen, vor allem, wenn ich allein bin. Die Waffe hat mir lange Zeit ein Gefühl der Sicherheit vermittelt.«
    »Das ist ja schrecklich.« Florian betrachtete Jana nachdenklich und nahm noch einen Schluck Wein. Bislang hatte er immer nur von Überfällen und versuchten Vergewaltigungen gelesen. Jana war die erste Frau in seinem Leben, die er kannte, die so etwas erlebt hatte.
    »Wir wohnten nicht zusammen, ich war also in meiner Wohnung häufig allein. Mein damaliger Freund hat die Waffe nie zurückgefordert, auch nicht, nachdem wir uns getrennt hatten, und so behielt ich sie einfach«, erklärte sie. »Ich denke, jetzt wirst du sie vielleicht brauchen können.«
    Florian war gerührt, doch er fühlte sich auch hin und her gerissen. Konnte er die Waffe annehmen? Außerdem besaß er keinen Waffenschein.
    »Sie ist nicht registriert.«
    Mit diesen Worten waren Florians letzte Bedenken zerstreut.
    »Du bist unglaublich. Ich danke dir.« Er legte die Waffe auf eine freie Stelle der Arbeitsplatte, prostete Jana zu, füllte die Nudeln in eine Schüssel und stellte sie samt Auberginenmus auf den Tisch.
    Nachdem beide eine Weile schweigend gegessen hatten, ergriff Florian wieder das Wort: »Wo wohnst du eigentlich?«
    »In der Piusstraße.«
    Er runzelte die Augenbrauen.
    »Mit einer Freundin. Und einem herrlichen Blick vom Balkon über Melaten.« Jana lachte. »Aber ehrlich gesagt, mir ist der Friedhof nicht geheuer, auch wenn die meisten Kölner davon schwärmen und es absolut hip ist, sich dort begraben zu lassen. Mir raubt er Energie.«
    Florian konnte Janas Empfindung gut nachvollziehen, ihm ging es ähnlich. Nachdem er und Jana mit dem Essen fertig waren, führte er sie hinaus auf den Balkon, wo sie sich nah nebeneinander an die Brüstung lehnten.
    Die Nachtluft war kühl. Jana schlang ihre Arme eng um sich, deutete nach oben in den schwarzen Himmel und sagte: »Schön ist es hier. Vor allem, wenn die Venus so hell und doch geheimnisvoll über den Dächern blinkt.«
    Beide sahen, den Kopf zurück in den Nacken gelegt, in den Himmel, an dem der Abendstern leuchtete. Die Intimität, die das gemeinsame Essen und der Wein zwischen ihnen hervorgerufen hatte, rief eine unbestimmte Sehnsucht in Florian wach, und die Nähe, die sich zwischen ihnen eingestellt hatte, trug dazu bei, dass er den Wunsch verspürte, der Abend möge niemals enden. Er sah in ihre Augen, und sein Blick wanderte zu ihren Lippen, dabei fragte er sich, warum er Jana eigentlich nicht ein zweites Mal küssen sollte. Der Drang danach, sie dicht bei sich zu spüren, wurde übermächtig, und einer leisen inneren Warnung zum Trotz zog er sie an sich. Ihr Mund schmeckte genauso nach schwarzen Johannisbeeren wie beim ersten Mal, und ihr Hals roch nach dem gewohnten Duft ihres Parfums. Florian sog ihn tief ein. Unter seinen Händen konnte er durch den Pullover hindurch die Empfindsamkeit ihres Körpers spüren, der ihm sanft, aber ohne zu zögern entgegenkam. Je länger er sie küsste, desto mehr hatte er das Gefühl, von einem Schwindel erfasst zu werden, der ihm den Boden unter den Füßen wegzog. Er genoss das Gefühl, doch gleichzeitig kroch eine altbekannte Panik in ihm hoch. Fast schon wäre ihm die Frage, ob Jana über Nacht bleiben wolle, über die Lippen gekommen, da flüsterte eine innere Stimme ihm zu: Hattest du nicht geschworen, Jana nicht mehr anzurühren? Brüsk ließ er sie los und trat einige Schritte zurück. Überrascht und ungläubig sah sie ihn an.
    »Tut mir leid, aber …« Florian rang nach Worten. »Ich kann nicht.«
    Jana biss sich auf die Lippen.
    »Es liegt nicht an dir. Ich bin einfach noch nicht so weit.«
    Jana holte tief Luft. »Schade.«
    »Ja.«
    Nach einem Moment des Schweigens wandte sie sich ab. »Kein Problem. Dann gehe ich wohl besser.«
    »Warte.« Florian sah sie bittend an. »Eins muss ich wissen.«
    »Ja?«
    »Warst du mit Max zusammen?«

     

30
    Sie lag auf dem Bett und krümmte sich. Es war stockfinster. In ihren Schläfen tobten unsichtbare Dämone, und ihre Eingeweide rebellierten. Ihr war eiskalt. Sie versuchte, sich aufzurichten, denn sie wollte hinüber zum Fenster und frische Luft schnappen, aber der Versuch misslang. Stöhnend fiel sie zurück in die Kissen. Was war nur mit

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