Henkersmahl
ihr los?
Peter. Bitte hilf.
Jeder Buchstabe seines Namens versprach Trost. Peter. Sie sah ihn vor sich, wie er sie auf der Party angesehen hatte, kurz bevor er starb. Ein Blick voller Liebe.
Sie musste würgen, ihre Füße waren kalt wie zwei Eisblöcke. Wenn sie ihn doch nur hätte auffangen können, diesen irrsinnigen Wahn, diese Sucht nach Alkohol hätte stoppen können. Was gäbe sie darum, ihn ein letztes Mal in die Arme zu schließen. Ihm zu sagen, dass sie ihn liebte, immer noch.
Sie rang nach Luft. Vergangen. Vorbei. Die Bläschen ihrer Lunge blähten sich auf wie große Ballons. Kaugummiblasen, die jeden Moment platzen konnten. Klebrig und instabil. Sie musste würgen. Grüne Galle kam ihr über die Lippen. Ihr war kalt, so kalt. Sie zog die Bettdecke dichter an sich und schloss die Augen.
Peter. Bitte hilf.
Lass uns von vorn anfangen.
Die kleine Bucht am Wasser, dein Lachen.
Ihr Kopf drohte zu zerplatzen, aber sie konnte die Hände nicht mehr heben, um einen Gegendruck auszuüben. Der Teufel hatte von ihr Besitz ergriffen, sie ganz und gar gelähmt. Ja, es musste der Teufel sein. Dies war die Strafe dafür, dass sie Peter verlassen hatte. Sie musste weinen, lange weinen, und dann durchzuckte ein bestialischer Schmerz ihre Brust.
Peter. Bitte halte mich.
Sie fühlte, wie das Blut in ihren Adern stockte. Mit einem letzten Aufbäumen ihres Körpers riss sie die Augen auf. Ganz deutlich sah sie ihn vor sich.
Peter.
Ein Glücksgefühl durchströmte ihre Brust. Er war gekommen, um sie fest in seine Arme zu schließen.
31
Das dumpfe und rhythmische Plöp Plöp des Tennisballs drang an Florian Halstaffs Ohren, beruhigte jedoch nicht seine aufgewühlten Nerven. Unruhig lief er dem Ball hinterher und schlug ihn wütend zurück über das Netz. Wieder und wieder. Es stand 5:2 im dritten Satz für Florian. Den ersten Satz hatte Jörg Fresemann für sich entschieden, den zweiten hatte Florian gewonnen. Seine Ferse schmerzte dank eines extra dicken Blasenpflasters nicht, und selbst wenn, hätte Florian den Schmerz vermutlich nicht wahrgenommen.
Jana und er hatten nach der unglücklichen Szene auf seiner Terrasse noch ein Glas Wein getrunken, dann hatte er ihr ein Taxi gerufen. Seine Frage, ob sie mit Max zusammen gewesen war, hatte sie verneint, aber dennoch hatte er sich nicht wirklich erleichtert gefühlt. Sein Innerstes war seit dem gestrigen Abend gespalten. Kaum hatte Jana seine Wohnung verlassen, hatte er sich schon wieder nach ihrer Gegenwart gesehnt.
Heute war Freitag, um neun hatte er bei seiner Therapeutin einen Termin gehabt. In dem Gespräch hatte er sich eingestehen müssen, dass es bei der Zwiespältigkeit seiner Gefühle für Jana nicht allein um die Frage von Freundschaft und Verrat ging. Nein, er hatte zugeben müssen, dass er wie ein gejagtes Tier die Flucht ergriff. Seine Therapeutin hatte ihn schonungslos mit der These konfrontiert, dass seine panische Angst vor einer Beziehung daher rühre, dass er sich im tiefsten Innern mit seinem Vater identifiziere, sich so verhalte, wie sein Vater sich seiner Mutter gegenüber verhalten hatte. Und so wie sein Vater war auch Florian untreu gewesen und hatte sich aus dem Staub gemacht, als die Beziehung zu Katharina zu eng wurde. Die Therapeutin hatte infrage gestellt, ob das Bild, das er von seinem Vater hatte, tatsächlich mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Vielleicht täuschte er sich und sein Vater war gar nicht der Don Juan, wie Florians Mutter ihn immer beschrieben hatte? Seine Therapeutin hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass er seinen Vater unbedingt finden müsse, um das fiktive und reale Bild miteinander abzugleichen. Erst dann würde er vielleicht dazu in der Lage sein, das Band der Identifikation zu durchtrennen und möglicherweise eine dauerhafte Beziehung zu führen. Eine These, die Florian ebenso einleuchtete wie sie ihm Zahnschmerzen bereitete.
Dass er jetzt im fahlen Neonlicht einer aufblasbaren Tennishalle mit Jörg Fresemann, Geschäftsführer von Fresko, Tennis spielte, trug nicht gerade zur Verbesserung seiner Stimmung bei. Die Verabredung war sehr überraschend für ihn gekommen. Seine Mutter hatte ihm eine SMS geschickt, die er nach der Therapiesitzung gelesen hatte. Immerhin, der Plan seiner Mutter war geglückt. Sie hatte sich erst mit Fresemann verabredet, ihm dann einen verstauchten Fuß vorgetäuscht und ihm Florian als Ersatzpartner präsentiert. Als er Fresemann zum ersten Mal gegenübergestanden
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