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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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Paul morgen für die erste Schulstunde eine Entschuldigung schreiben«, schrie mir Jürgen ins Ohr. »Der kommt morgen früh nicht aus den Federn! Da vorn steht die Lehrerin! Ergreif die Gelegenheit beim Schopf und gib ihr gleich noch für alle Kinder Luftballons mit!«
    Ich fühlte seine Hand auf meinem Rücken, die versuchte, mich durch die Menge zu schieben wie der Bäckermeister sein Kind im Rollstuhl. Ich bockte wie ein störrischer Esel. Warum konnte Jürgen das nicht selbst machen? Wenigstens in diesem Moment? Ich hatte doch tausend Leute zu verabschieden! Während ich noch Hände schüttelte, stand plötzlich Christian Meran vor mir. Wie aus dem Boden gestampft. Mit einem Bier.
    »Hier!«, sagte der Flötist. »Nehmen Sie einen großen Schluck!« Er hielt mir seine bereits geöffnete Flasche hin.
    »Aber das ist doch Ihres!«, stammelte ich.
    »Die Lehrerin«, raunte mir Jürgen zu. »Lauf hin! Gleich ist sie weg!«
    »Lotta, sprich jetzt endlich ein Machtwort!«, keifte Mutter Margot an meinem anderen Ohr. »Keine fettigen Krapfen mehr! Die Kinder kotzen uns heute Nacht noch die Betten voll!«
    »Frau von Thaaaalgau?«, fragte ein nasebohrendes Kind. »Wann ist die nächste Proooooobe? Meine Oma kann mich nämlich nicht faaaaahrn, die hat einen wehen Aaaaaarm!«
    »Frohe Weihnachten, Frau von Thalgau! Und guten Rutsch! Wann darf meine Katharina Ihnen mal was auf der Bratsche vorspielen? Sie kann jetzt schon vier leere Saiten, nicht wahr, Katharina?«
    »Machen wir nächstes Jahr Carmina Buraaaana?«
    »Krieg ich nächstes Jahr auch ein Sooooloooo?«
    »Lotta! Sie geht! Nun lauf ihr doch nach!« Jürgen drohte, mir seinen ganzen Pulk Luftballons umzuhängen.
    Ich sah in Christian Merans dunkelbraune Augen. Stand Mitleid darin? Oder ein Hauch von Spott?! Er hatte jedenfalls Lachfältchen um seine Augen.
    »Ah, da sind Sie ja!«, drängte sich Gerngroß dazwischen. »Also, ich hab hier mal ein Konzept ausgearbeitet, während Sie da vorn rumgeflödet haben.« Er wedelte mit einem voll beschriebenen Blatt Papier, das den Krapfen gefährlich nahe gekommen sein musste. »Wenn ich meine Vicki ins Fernsehen krieg, sind Sie an allen weiteren Einnahmen zu fünfzig Prozent beteiligt! Da springt eine saftige Provision für Sie raus, da brauchen Sie nie mehr selbst zu flödn!« Der Bäckermeister drängte meinem armen Wiener Philharmoniker sein mit Fettflecken übersätes Konzept auf, doch der hob abwehrend die Hände mitsamt der Bierflasche.
    Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.
    In meinem linken Ohr begann es schrill zu pfeifen. Das war der Stress. In diesem Moment wünschte ich mir sehnsüchtig einen verständnisvollen Menschen, der mich kurz abschirmt und mir ein Bier reicht, ohne mich zu einer Heirat zu drängen oder durch die Menge zu schubsen, damit ich Luftballons verteile.
    Und genau da stand er! Direkt vor mir! Plötzlich verstumm te das Pfeifen, und ich hörte nur noch seine ruhige tiefe Stimme.
    »Sie nehmen den ersten Schluck!« Seine braunen Augen sahen mich an, als wären wir ganz allein auf der Welt.
    »Aber …«
    »Prost! Sie haben das toll gemacht, und Sie können stolz auf sich sein.«
    »Kind!«, zischte Mutter Margot tadelnd. »Du wirst doch hier in aller Öffentlichkeit nicht aus der Flasche trinken! So wird aus dir nie eine Dame!«
    »Ja, also … gern!« Ich setzte die Flasche an den Mund und nahm einen köstlichen kalten Schluck Bier. Dann gab ich sie Christian Meran zurück, und er trank weiter. Ein kleiner kollegialer Kuss auf Umwegen sozusagen. Ein frommer Wunsch, mehr natürlich nicht.
    »Geben Sie mir zwei Minuten!«, mischte sich dreist Bäckermeister Gerngroß ein. »Mein Konzept hat Hand und Fuß. Ich bin nämlich ein genialer Geschäftsmann. Wir nehmen Bill Gates mit ins Boot! Der will ja unbedingt was Gudes tun mit seiner Kohle! Hat er selbst in einem Interview gesagt!«
    Ich hasste ihn! ICH HASSTE IHN!
    »Lotta! Jetzt essen die Kinder DOCH WIEDER Krapfen! DU musst es wissen!«, rief Mutter Margot tadelnd. »Das ist NICHT gesund um diese Uhrzeit!«
    »Die Lehrerin! Sie zieht schon ihren Mantel an!« Jürgen zerrte an meiner Schulter. »Nun renn ihr schon nach! Gib ihr ganz bei läufig die Luftballons!« Mir wurde schwindelig, und die Beine wollten unter mir wegsacken. Auf einmal rannte ich. Aber nicht der Lehrerin nach. Sondern Hand in Hand mit Christian Meran durch eine grüne Eisentür. Halb zog er mich, halb sank ich hin. »Notausgang!« Ich weiß gar nicht, wer von uns auf

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