Hera Lind
Freunden, meinem ungeschickten, aber liebenswerten Lebensgefährten. Der wollte schließlich nur mein Bestes. Und ich sture Egoistin wollte es ihm einfach nicht geben!
»Was hat dich eigentlich hierherverschlagen?«, fragte er fast mitleidig.
»Ich glaube, meine Geburt«, sagte ich schlagfertig. »Ich bin hier einfach so reingerutscht.« Hahaha. Ich fand mich ziemlich witzig dafür, dass ich schon so betrunken war.
»Ach, und ich hatte schon befürchtet, du hättest hier eingeheiratet«, sagte Christian.
»Ich bin nicht verheiratet«, murmelte ich.
»Oh. Wilde Ehe also. Du Schlimme!«
»Jürgen hat mir kurz vor dem Konzert einen Heiratsantrag gemacht«, gestand ich mit glühenden Wangen. »Aber in dem Moment bist du reingeplatzt.«
Stille. Christian rückte ein Stück von mir ab und starrte mich schuldbewusst an.
»Und … hättest du Ja gesagt?«
»Nein.«
Christian lächelte erleichtert, wobei wieder so ein Funkeln in seine Augen trat.
»Du brauchst einen richtigen Partner«, sagte er.
»Das IST er ja. Mit seinem Kredit …«
»Das meine ich nicht. Einen, der sich MENSCHLICH kümmert.«
Obwohl ich genau wusste, was er damit sagen wollte, sah ich ihn fragend an. Wie sagte meine beste Freundin Sophie immer so schön? Männer müssen sein wie gutes Haarspray: Halt geben, aber nicht kleben.
»Wenn ich zu Hause bin, kümmere ich mich um meine Frau«, sagte Christian. »Ich mache jeden Handgriff, den ich ihr abnehmen kann, bringe ihr morgens den Kaffee ans Bett und abends das Glas Rotwein zum Kamin!«
Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Kam er von einem anderen Stern?
Christian zog ein Foto aus seiner Brieftasche und zeigte es mir. Oh Gott! Ich kniff die Augen zusammen. Auf dem Bild war sie bezaubernd schön! Sie war ein MODEL, sie war perfekt! Natürlich hatte dieser Mann eine Traumfrau. Sie war ein Schwan und ich eine Gans. Was hatte ich rothaarige Kleinstadtpomeranze mir eigentlich eingebildet? Dass er eines Tages MIR Kaffee ans Bett und Rotwein zum Kamin bringen würde? Zumal ich a) gar keinen Kamin hatte und b) KEIN BISSCHEN ZU HABEN WAR!!!! Mutter Margot hockte wie eine schwarze Krähe auf meiner Schulter und krächzte: Du-bist-nicht-zu-haben-und-dich-will-auch-niemand! Du kannst froh sein, dass du den gediegenen Sparkassendirektor hast, den du gar nicht verdienst! Ohne seinen großzügigen Kredit wärst du eine ganz einfache Klavierlehrerin, die mit mittelbegabten Mittelstandskindern in muffigen Wohnzimmern Etüden spielt! Dann stündest du NICHT auf der Bühne der Stadthalle, würdest NICHT dirigieren und moderieren, hättest KEINEN Beifall und wärst NICHT in der Zeitung! All das verdankst du Jürgen!
Mir fiel das Herz nicht nur in die Hose, sondern laut polternd sämtliche Steinstufen hinunter. Bis zur Tiefgarage. Ein paar Minuten lang hatte ich mich geschmeichelt gefühlt. So verstanden, so … besonders! Natürlich hatte er eine Frau. Eine, die er auf Händen trug und verwöhnte. Eine, mit der er sich auf internationalem Parkett sehen lassen konnte. Eine, mit der er sich nicht im Treppenhaus der Stadthalle von Heilewelt verstecken musste.
»Sie ist wirklich … wunderschön!« Auf einmal fühlte ich mich wie ein Trampeltier. »Wie heißt sie?«
»Anita.« Christian ließ ihren Namen auf der Zunge zergehen wie eine zart schmelzende Praline. »Na ja, sie war früher mal Model«, fuhr er nicht ohne Stolz fort und verstaute das Bild wieder in seiner Brieftasche. »Und das hier …« Seine langen, feingliedrigen Finger verschwammen vor meinen Augen. »… sind meine Töchter Grazia und Gloria.«
Ich musste kurz blinzeln und tief durchatmen. Das eine schlanke Mädchen umarmte ein Pferd, das andere, größere, einen Golfpokal. Beide Töchter hatten das gleiche Lächeln wie die Königinmutter, dazu seine braunen Augen und sein Grübchen am Kinn. Und ich? Ich passte eben zu meinem molligen Sparkassenfrosch im viel zu engen, unmodischen Anzug und den praktischen Schnürschuhen. Schuster, bleib bei deinen Leisten!, hätte mein Vater jetzt trocken bemerkt.
»Die sind wirklich hübsch. So groß und schlank und blond …«
»Ja, sie kommen ganz nach ihrer Mutter«, sagte Christian stolz und steckte die Fotos wieder zurück.
Meine drei Kinder waren rothaarig wie ich und rundlich wie Jürgen. Eher so eine Mischung aus Karlsson vom Dach und Pippi Langstrumpf.
Wir saßen so dicht nebeneinander, dass kaum noch eine Briefmarke zwischen uns passte. Verstohlen verschlang ich ihn mit meinen Blicken: Seine
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