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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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Grazias Stimme schrill an mein Ohr. »Was soll der SCHEISS?!«
    »Ich weiß, dass das für dich überraschend kommt«, stieß ich hervor. Ich presste meine Hände gegen die Schläfen. Ich konnte nicht länger still sitzen. Mühsam rappelte ich mich aus dem Sessel auf und begann nervös im Zimmer auf und ab zu laufen, wobei ich mir zum ersten Mal im Leben eine Zigarette ansteckte. Meine Finger zitterten bei dem Versuch, ein Streichholz zu entzünden. Ursula hatte sie liegen lassen. Eingehüllt in den Rauch drehte ich mich zu ihr herum: »Es gab da ein Telefonat von einem Herrn von der Sparkasse …«
    »Hat Papa Schulden gemacht?« In Grazias Gesicht stand die nackte Panik.
    »Nein.« Der beißende Rauch fraß sich in meine Augen und Stimmbänder.
    »Was hat ein Sparkassentyp mit eurer Scheidung zu tun?!« Grazia funkelte mich fassungslos an. »Wieso rauchst du plötz lich?« Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Bist du in den Wechseljahren oder was? Ich verstehe die ganze Sache nicht!«
    Mir wurde ganz schwindelig von der Zigarette. Hilflos wedelte ich den Qualm weg. »Der Sparkassenmensch wollte mich vor deinem Vater warnen.«
    »Wieso denn das? Du kennst Papa doch wohl besser als der Sparkassenmensch!«
    »Nein, der Sparkassenmensch wollte seine Frau vor deinem Vater warnen.«
    »Warum hat er dann DICH angerufen?«
    »Er wollte irgendwie sichergehen, dass Papa ihm nicht gefährlich wird. Wir haben dann viel länger mit ihm telefoniert als beabsichtigt.«
    »Wer ist wir?«
    »Die Kobaliks und ich.«
    »Mama? Das klingt, als hättest du nicht mehr alle!«
    »Er wollte wissen, was dein Vater für ein Mensch ist.«
    »Häh? Mama, echt jetzt! Bist du auf Koks?«
    »Er hat erst mich und dann die Kobaliks gefragt.«
    »Die Kobaliks. Gefragt. Was Papa für ein Mensch ist.«
    Das musste wirr klingen. Sehr wirr. Und völlig zusammenhanglos. »Ja. Er brauchte eine Auskunft.« Ich rieb mir über die Stirn. »Er hat an Heiligabend hier angerufen, gestottert und geweint, dass sein Weihnachtsfest verdorben sei, weil Christian seine Frau geküsst hat. Aber meines war daraufhin auch verdorben, das kannst du mir glauben …«
    »Papa hat die Frau von einem Sparkassenheini geküsst. Aber Mama, jetzt mal im Ernst: Du weißt doch, dass diese Musiker sich dauernd irgendwie küssen!«
    »Ja, aber er meinte, dass seine Frau naiv ist und leicht beeinflussbar. Und dass sie sich in Papa verknallt hätte und mit ihm leben will oder so ähnlich.«
    »Wie ist der Typ überhaupt an deine Nummer gekommen?«, unterbrach mich Grazia.
    »Auslandsauskunft.«
    Grazia verzog das Gesicht zu einer angeekelten Grimasse. »Das hört sich an, als wärt ihr alle voll krass in der Pubertät. Echt!«
    Sie musste die Wahrheit wissen. Ich konnte einer Sechzehnjährigen nichts von Bienchen und Blüten erzählen. Sie ließ nicht locker. »Also.« Ich setzte mich wieder hin und nahm Grazias Hand, die sie mir allerdings sofort wieder entzog. »Der fremde Anrufer hat den Papa beschuldigt …«
    »Wieso FREMDER Anrufer? Warum hast du nicht sofort aufgelegt?«
    »Nein, er hat seinen Namen gesagt. Immekeppel. Von der städtischen Sparkasse in Heilewelt.«
    »Mama, bist du sicher, dass du das nicht alles nur geträumt hast?« Grazias Stimme klang auf einmal besorgt. Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich.
    Ich rückte näher an sie heran, hoffte Zugang zu ihr zu finden. Sie musste doch irgendwie verstehen, dass ich gute Gründe hatte, wenn ich die Schlösser austauschte! »Dieser Herr Immekeppel war sehr freundlich und höflich und hat sich tausendmal entschuldigt, dass er mich an Weihnachten stört. Er machte einen wirklich seriösen Eindruck, glaub mir!« Ich drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und lehnte mich zurück. »Jedenfalls hat er mir beziehungsweise den Kobaliks erzählt, dass der Papa im Treppenhaus zur Tiefgarage eine Musiklehrerin geküsst hat.«
    »Das sagtest du bereits.«
    »Eine Rothaarige mit Brille.«
    »Eine Rothaarige mit Brille. Wie ist der Papa denn drauf!«
    »Na, das war jedenfalls seine Frau oder Lebensgefährtin oder so.« Ich kratzte mich am Kopf. »Ja. Und dann habe ich die Scheidung eingereicht.«
    »Mama, was hast du getrunken?« Grazia hob eine leere Rotweinflasche auf, die unter den Sessel gerollt war. Jetzt klang sie noch unangenehmer berührt als vorher.
    »Es war Silvester«, verteidigte ich mich. »Wer trinkt da nicht?«
    Grazia hatte den Kopf von mir abgewandt, die Schultern hochgezogen und die Hände hinter ihrem Rücken

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