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Herbst - Ausklang (German Edition)

Herbst - Ausklang (German Edition)

Titel: Herbst - Ausklang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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hätte sein sollen. Ihr strahlendes Lächeln versetzte ihn schlagartig in eine längst vergangene Zeit zurück, als man noch das Gefühl gehabt hatte, dass das Erscheinungsbild eine Rolle spielte. Emma und die anderen Frauen auf Cormansey trugen nie Make-up, vorwiegend, weil sie kaum welches hatten, aber auch, weil es keinen Sinn mehr zu haben schien. Es bestand nicht mehr der Wunsch, geschweige denn die Notwendigkeit, Zeit mit dem Versuch zu verbringen, der gesellschaftlichen Vorstellung von Schönheit zu entsprechen, zumal die Gesellschaft selbst etwa 50 Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Meeres in Scherben lag. Michael konnte sich nicht von diesen Lippen lösen. Der Gedanke, dass er Emma wahrscheinlich nie herausgeputzt für einen schicken Abend sehen würde, stimmte ihn traurig. Falls er Emma überhaupt je wiedersähe. Er hatte noch einen weiten Weg vor sich, bevor er wieder in der Nähe der Frau wäre, die er ...
    »Alles in Ordnung?«, fragte Harte und stupste ihn leicht.
    »Was? Oh, tut mir leid«, sagte Michael, zugleich traurig und verlegen. Und wütend auf sich, weil er sich so leicht ablenken ließ. Egal, was er vermutete – dass er bislang nicht angegriffen worden war, bedeutete keineswegs, dass er sich völlig in Sicherheit befand. Er wischte den Rest des Namensschilds sauber, dann blickte er in das tote Gesicht, zu dem es gehörte. Nachdem er nun wusste, wie die Frau früher ausgesehen hatte, konnte er es kaum ertragen, sich dem zu stellen, was davon übrig war. Durch die verdorrte, verfärbte Haut, das lichte Haar, die entstellte Fratze und die unnatürlich hervorstehenden Knochen wirkte sie wie eine groteske Karikatur der Person, die sie früher gewesen war. Um ihre Oberlippe war ein breiter Hautstreifen weggefressen worden. Trotz der offensichtlichen Individualität des Verfalls jeder Leiche ähnelten sie einander mittlerweile alle. »Das ist Michelle Bright«, verkündete er.
    Einer der Männer ließ eine flapsige, überflüssige Bemerkung fallen, aber die anderen schenkten ihm keine Beachtung, weil ihre volle Aufmerksamkeit der toten Frau galt, die vor Michael stand. Bei der Erwähnung ihres Namens hatte sie reagiert. Sie bewegte sich etwas vorwärts, dann hob sie einen müden Arm näher ans Gesicht. Mit unübersehbarer Mühe legte sie die Reste einer Hand leicht auf ihre hohl klingende Brust. ›Ich‹, schien sie sagen zu wollen.
    »Leck mich am Arsch«, stieß Howard hervor.
    »Ich würde lieber sie lecken«, murmelte Harte. Michael drehte sich um und sah beide finster an.
    »Das ist ja alles schön und gut«, meldete sich Caron zu Wort, mittlerweile stocknüchtern, »aber es bringt uns nicht wirklich weiter, oder?«
    »Kommt auf die Betrachtungsweise an«, gab Michael zurück. Sie wollte gerade fragen, was er damit meinte, als Lorna sie ablenkte.
    »Seht euch das an«, sagte sie. »Wo zum Teufel gehen die hin?«
    Sie beobachteten, wie eine träge Reihe von Leichen in die Richtung schlurfte, aus der die Lebenden die Verliese betreten hatten – zurück in Richtung der Mitte der Burg.
    »Sie wollen rein, oder?«, fragte Kieran. »Sie versuchen, in die Burg zu gelangen.«
    »Ich glaube, genau das versuchen sie«, pflichtete Michael ihm bei. »Sie wissen, dass sie nicht in die andere Richtung können, die muss blockiert sein, also versuchen sie es auf dem Weg, über den wir gekommen sind.«
    »Dann sollten wir sie lassen«, schlug Lorna vor. »So sind wir sie los ...«
    »... und die Mistkerle dort oben haben etwas, das sie beschäftigt. Guter Gedanke.«
    »Aber wenn Jas und die anderen sie sehen, drehen sie durch«, warf Harte ein. »Wahrscheinlich schlagen die sie zu Brei.«
    »Sieh dir an, in welchem Zustand sie sind«, sagte Michael leise, fast so, als wolle er nicht, dass die Toten ihn hörten. »Wäre vermutlich das Beste für sie.«
    Er wollte sich erneut an Lorna wenden, doch es war zu spät, sie war bereits verschwunden. Michael beobachtete, wie sie in die Richtung verschwand, aus der sie gekommen waren. Dem Klang nach zu urteilen, öffnete sie beide Türen, die sie passiert hatten, um den Weg bis zum Andenkenladen zu ebnen. Danach kehrte sie in die Kammer zurück, wo die anderen warteten, und griff sich Carons Taschenlampe. Behutsam packte sie Michelle Brights Leiche am Arm und führte sie den Gang zur anderen Kammer hinauf. Die tote Frau bewegte sich langsam vorwärts, dann blieb sie stehen. Lorna ließ sie los und schob sie weiter. Die Leiche begann, auf einen Lichtfleck in

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