Herbst - Läuterung
unbarmherzigen Kampfhandlungen im Freien gebildet hatte; Sekrete tropften von ihnen herab.
Cooper ließ sich nicht einmal zu dem Versuch herab, Michaels Frage zu beantworten.
»Fahren wir jetzt die ganze verdammte Nacht weiter?«, fluchte Michael und hielt sich an Coopers Sitz fest, als das gepanzerte Fahrzeug über ein jähes Gefälle hinunterruckelte. Er blickte durch das blutverschmierte Glas vor dem Fahrer; die Sicht war völlig eingeschränkt. »Das Wohnmobil hat weniger als die Hälfte im Tank«, fuhr er fort, »wir können nicht endlos weiterfahren.
Als seine Anmerkungen abermals mit Schweigen quittiert wurden, ließ er sich verärgert in den nächsten Sitz fallen und drehte sich um, damit er aus dem hinteren Teil des Fahrzeugs nach draußen sehen konnte. Hinter ihnen tobte die zwecklose und verlustreiche Schlacht mit vielfachen Explosionen und blendend hellen Lichtblitzen, durch welche die tote Welt sekundenlang erleuchtet wurde, unverändert weiter. Der Mannschaftswagen sank schwerfällig auf eine Seite, als der Boden, in wachsendem Maße schroff und uneben wurde. Dicht hinter ihm folgte der Gefängniswagen und noch weiter dahinter konnte Michael die Lichter des Wohnmobils ausmachen, wie es darum kämpfte, den Anschluss nicht zu verlieren. Kurzzeitig erwog Michael, den Konvoi anzuhalten, damit er nach draußen und zu Emma und den anderen gelangen konnte. Doch um sie herum waren immer noch zu viele Leichen.
Michael stützte seinen Kopf in die Hände und kniff seine Augen zu. Er versuchte, einige der beängstigenden Bilder, die er in der letzten Stunde hatte mit ansehen müssen, aus seinem Kopf zu löschen. Doch es erwies sich als unmöglich, alles war so schnell geschehen. Wie hatte die ganze Aktion nur so rasch fehlschlagen können? Vor Stunden war der Bunker noch versiegelt gewesen und sie verhältnismäßig sicher und beschützt. Jetzt waren sie wieder schutzlos und verwundbar und flohen erneut ohne Ziel und Hoffnung. Er dachte an die Menschen, deren Tod er mit angesehen hatte – etliche Soldaten, Bernard Heath und mindestens ein weiterer Überlebender. Alles war so sinnlos gewesen. Er konnte nicht aufhören, an Bernard zu denken und stellte sich vor, wie er tot auf dem Boden lag, umgeben von jeder Menge Leichen und Soldaten, die immer noch versuchten, gegeneinander zu kämpfen. Himmel, er hoffte, dass er rasch gestorben war und wünschte, dass er nicht gelitten hatte. Die Vorstellung, hilflos mitten in diesem Albtraum zu liegen, sich nicht bewegen zu können, langsam zu verbluten und nur darauf zu warten, bis das alles zu Ende war ...
»Wir müssen irgendwann mal auf eine Straße treffen«, sagte Cooper, riss Michael damit aus seinen dunklen, bedrückenden Gedanken und warf ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. »Dann werden wir anhalten und versuchen, herauszufinden, wo wir sind.«
»Stell dich nicht so dumm an«, schnauzte Michael. »Wie sollen wir anhalten? Wenn wir stehen bleiben, dann werden wir ...«
»Wenn wir vernünftig sind, können wir es uns leisten, für eine kurze Weile zu stoppen«, unterbrach ihn Cooper mit gering erhobener Stimme – gerade ausreichend, um Michaels emotionalen Ausbruch zum Schweigen zu bringen. »Wir werden stehenbleiben, uns sammeln und entscheiden, was als Nächstes zu tun ist. Wenn wir dabei schnell genug vorgehen, wird die Zeit, in der wir gefunden werden können, für nicht viel mehr als ein paar Leichen ausreichen.«
Michael nickte und brummte, Verständnis vortäuschend, doch er hörte nicht wirklich zu. Er versuchte, sich selbst unter Kontrolle zu halten und ertappte sich immer wieder dabei, aus dem Fenster auf das Wohnmobil zu blicken, das zu kämpfen hatte, sich über das unebene Terrain zu bewegen. Er dachte an Emma und daran, was er täte, wenn ihr irgendetwas zustoßen würde. Zur selben Zeit beobachtete er die ständigen düsteren Bewegungen um sie herum, während Leichen kehrtmachten und durch die Nacht hinter dem unorganisierten Konvoi her schlurften. Er versuchte, sich mit der quälenden Tatsache abzufinden, dass sie wieder in Gefahr und auf der Flucht waren.
Steve Armitage steuerte den Gefängniswagen geschickt in den ausladenden zerfurchten Spuren, die das Militärfahrzeug vor ihm zurückgelassen hatte. Phil Croft saß, zwar verängstigt und zitternd vor Anspannung, jedoch immer noch wachsam, neben ihm und betrachtete die Szenerie mit Argusaugen. Im Fond des Lastwagens saß der Großteil der Überlebenden zusammengekauert in der Dunkelheit,
Weitere Kostenlose Bücher