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Herbst - Läuterung

Herbst - Läuterung

Titel: Herbst - Läuterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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Weg ein.

9
    Der Konvoi fuhr durch den frühen Abend in die Nacht hinein und folgte der gewundenen Straße durch die endlose Finsternis, ohne zu wissen, wohin diese sie führen würde.
    Die Stille im Mannschaftswagen war unangenehm und erdrückend. Die neun Insassen quälten sich und litten aus vielerlei Gründen. Jede Person war für sich betrachtet ebenso verängstigt und unsicher wie die anderen. Cooper beschäftigte seine Gedanken, indem er die Straße vor sich unablässig beobachtete, alle Seiten nach Leichen absuchte und hoffte, irgendeinen Ort zu finden, an dem sie für eine Weile halten und zu Atem kommen konnten. Sie führten nichts mit sich – keine Nahrung, Wasser, Waffen oder Ähnliches. Es stand außer Frage, dass Vorräte zu bekommen neben Sicherheit ihre oberste Priorität darstellte. Er hatte geahnt, dass es in dem Falle, dass sie die Basis in Eile verlassen mussten, so kommen würde und wollte für eine derartige Eventualität gepackte Vorräte bereithalten. Durch die Tatsache, dass das Militär sie mit kargen Rationen versorgt und peinlich genaue Kontrollen an der Ausrüstung vorgenommen hatte, war es ihm jedoch nicht möglich gewesen, irgendwelche Reserven anzulegen. Sie hatten kaum genug gehabt, um davon zu leben, geschweige denn, welche davon aufzubewahren.
    Im hinteren Teil des Fahrzeugs starrte Michael einen der Soldaten an, der sich gegen die Tür gelehnt hatte – und weinte.
    »Wie heißt du?«, fragte er.
    Die Gestalt im Schutzanzug drehte ihren Kopf und sah ihn an. »Kelly Harcourt«, gab sie zur Antwort.
    Michael war überrascht, obwohl er wusste, dass er das eigentlich nicht sein sollte. Doch er hatte angenommen, dass unter all dem Schmutz des Schlachtfeldes und dem schweren Schutzanzug ein männlicher Soldat steckte. Obwohl es dunkel und der Großteil ihres Gesichts unter dem sperrigen Atemgerät verborgen war, sah er dennoch ihre Augen, die Nase und den oberen Teil ihres Mundes. Sie sah zu jung aus, um in einer Uniform zu stecken. »Und, ist es das erste Mal, dass du an der Oberfläche bist?«
    Sie nickte und flüsterte: »Man hat uns zwar erzählt, worauf wir uns gefasst machen müssen, aber ich hätte nie geglaubt, dass es so ist. Ich konnte mir nicht vorstellen ...«
    Er schüttelte den Kopf. »Glaub mir«, seufzte er, »was auch immer sie euch erzählt haben, es ist viel schlimmer. Du hast bisher noch gar nichts gesehen.«
    So rasch, wie sie begonnen hatte, endete die Unterhaltung wieder. Michael bedauerte, dass er sich so negativ angehört hatte, aber was hätte er sonst sagen sollen? Sein missglückter Versuch, mit der Soldatin ein Gespräch zu beginnen, war instinktiv und natürlich gewesen, doch als ihm nichts Positives einfiel, entschied er sich, lieber nichts zu sagen. Was konnte er ihr wohl erzählen, das irgendetwas an der Hoffnungslosigkeit ihrer Lage änderte? Er konnte ihr weder helfen noch Mut zusprechen oder sie trösten. Er konnte ihr weder Sicherheit noch Gesundheit oder Gefahrenlosigkeit in Aussicht stellen. Eigentlich konnte er ihr überhaupt nichts sagen und das, entschied er, war das Härteste und Frustrierendste an der Sache. Jetzt, da sie sich im Freien befanden und wieder schutzlos waren, begriff er, wie bedeutsam der Militärstützpunkt hätte sein können – und müssen. Er dachte an die verschiedenen Orte, an denen er in den letzten sechs Wochen eine gewisse Zeit verbracht hatte – das Gemeindehaus in Northwich, die Penn Farm und nun der Stützpunkt – und von denen keiner in der Lage gewesen war, den Schutz und die Sicherheit zu bieten, um die er gebetet und von der er sich etwas versprochen hatte. Nirgendwo war es solide genug gewesen. Michael erkannte mit einem plötzlichen Gefühl der Leere, die ihm den Magen umdrehte, dass er trotz seiner anscheinend unaufhörlichen Bemühungen nichts erreicht hatte. Okay, er war immer noch am Leben und in einer verhältnismäßig guten körperlichen Verfassung, doch er war jetzt genauso verwundbar, durchfroren, verängstigt, müde, orientierungslos, entnervt und hilflos, wie bereits am ersten Tag.
    Würde es immer so weitergehen?
    Das Vorankommen entlang der von Trümmern übersäten Straßen ging nur langsam und vorsichtig. Die Landschaft war düster und öde; die einzige Bewegung darin kam von den umherstreunenden Leichen, die schnell genug waren, auf den Lärm und die Helligkeit zu reagieren, die vom Konvoi der drei Fahrzeuge erzeugt wurde. Beinahe eineinhalb Stunden, nachdem ihre ungeplante und unorganisierte

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