Herbst - Läuterung
ohne zu wissen, wo sie sich befanden oder wohin sie fuhren. In jedem Einzelnen wühlte ein unangenehm vertrautes Gefühl der Orientierungslosigkeit und heillosen Furcht.
Etliche Meter hinter dem Lastwagen stöhnte Donna angestrengt, als sie damit kämpfte, das Wohnmobil unter Kontrolle zu halten. Es handelte sich dabei um ein altes, überbeanspruchtes und schwer zu lenkendes Fahrzeug, mit dem man es bereits auf einer waagerechten Straße schwer hatte, geschweige denn unter diesen tückischen Umständen. Im Inneren des Fahrzeugs herrschte Totenstille. Da es im Gegensatz zu den anderen beiden Kraftfahrzeugen eine weitaus alltäglichere Maschine war, wurde den Überlebenden, die dicht gedrängt im hinteren Teil saßen, durch die breiten Fenster ungetrübte Sicht auf die tote Welt rund um sie herum ermöglicht. Viele hätten es vorgezogen, diesen Anblick nicht ertragen zu müssen. Hier, über eine Meile vom Militärbunker entfernt, schwärmten immer noch riesige Leichenhorden über das Land. Donna zwang sich, nach vorne zu blicken und sich auf das Fahren zu konzentrieren. Sie gab ihr Bestes, doch das Wohnmobil war nicht dazu konzipiert worden, durch dicken, aufgewühlten Morast und über unerwartet auftauchende, unebene Abhänge und Erhebungen zu fahren. Die Steuerung war langsam und schwerfällig und das Heck des Wagens drohte ständig auszubrechen und außer Kontrolle zu rutschen. Im Fond wagte niemand zu sprechen, aus Angst, ihre nervöse Fahrerin abzulenken.
Emma sah sich flüchtig um und bemerkte die düstere Silhouette eines Hauses, das sich zwischen die Bäume einer niedrigen Hügelkuppe schmiegte. Anfänglich wurde sie davon an die Penn Farm erinnert und in ihrem verängstigten Zustand konnte sie zunächst an nichts anderes denken, als dass es da, wo ein Gebäude stand, sicher eine Straße, einen Weg oder eine andere Transportmöglichkeit gab.
Donna stieg auf die Bremse.
»Was ist los?«, fragte Emma und war augenblicklich besorgt, weil sie angehalten hatten. Donna wies mit dem Kopf in Richtung der beiden vorderen Fahrzeuge. Emma starrte angestrengt in die Dunkelheit und sah, dass Cooper aus dem Mannschaftswagen gestiegen war und ein zerfasertes Seil aufschnürte, das eine breite Pforte aus Metall geschlossen hielt. Durch die Scheinwerfer der drei Fahrzeuge wurde ein unentwegter Strom schwankender Leichen erhellt, die zufällig den Schauplatz kreuzten und mit den Transportern zusammenstießen. Die beiden beobachteten, wie Cooper die Pforte nach außen schwang, den nächstbefindlichen Leichnam fortstieß und dann zu seinem Fahrzeug zurücklief.
»Sollte von hier aus leichter sein«, sagte Donna leise und mit offenkundig müder und resignierter Stimme. »Ich denke nicht, dass wir ...«
Ihre Worte wurden durch das unvermittelte Auftauchen eines ausgetrockneten Kadavers unterbrochen, der planlos aus der Dunkelheit in ihre Richtung stolperte und in die Vorderseite des Wohnmobils krachte. Donna zuckte überrascht zurück, lehnte sich dann nach vorne und starrte prüfend auf die erbärmliche Gestalt hinunter, die mit ihren ungeschickten, notdürftig koordinierten Händen auf die Front des Fahrzeuges hämmerte. Die Leiche bot einen entsetzlichen Anblick. In der Zeit, während der sich die Überlebenden unter der Erde befunden hatten, hatte sich der Zustand der Leichen weiter verschlechtert. Diese Kreatur war, der Länge ihrer strähnigen, schulterlangen Haare und den Resten der zerlumpten Kleidung nach zu schließen, einst weiblich gewesen. Die unteren Formen ihres Gesichts waren fast nicht mehr zu erkennen. Die Öffnung, in der sich der Mund befinden sollte, war zweimal so groß wie gewöhnlich. Der Kiefer hing herab und sah aus, als wäre es auf einer Seite aus dem Kopf gerissen worden. Die dunklen, leeren Augen des Leichnams starrten unverwandt in die Scheinwerfer des Wohnmobils.
»Sie fahren weiter«, flüsterte Emma und zwang sich, überall hinzublicken, nur nicht auf die Leiche unmittelbar vor ihnen. Donna beschleunigte vorsichtig in der Hoffnung, dass die Bewegung des Wohnmobils ausreichen würde, die Leiche zu vertreiben und zur Seite zu stoßen. Als sich diese nach einigen Sekunden noch immer nicht rührte, trat sie ohne weitere Umstände energisch auf das Gas und zermalmte das widerwärtige, verseuchte Ding unter den Rädern ihres Fahrzeugs.
Donna folgte dem Gefängnisauto und dem Mannschaftswagen, lenkte das Wohnmobil sorgfältig durch die Pforte und bog nach rechts auf einen schmalen, asphaltierten
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