Herbst - Läuterung
mich zu Martin Smith neben die Frau und passe auf, dass wir von den Fenstern aus nicht gesehen werden können.
Ich frage den Jungen, wer sie ist. Er erzählt mir, dass sie Sylvia Plant heißt. Dann will ich wissen, wie es kommt, dass er mit ihr zu tun hat und er fängt an, sich ein bisschen zu beruhigen und sagt, dass sie eine Freundin seiner Eltern war und in einem Überwachungszentrum in Camber gearbeitet hat, das etwa dreißig Meilen von dem Ort entfernt liegt, an dem wir uns befanden. Vor Jahren habe sie mit seinem Vater zusammengearbeitet, Martin hat sie aber eine lange Zeit nicht mehr gesehen, seit sein Vater in Ruhestand ging. Ich kenne den Ort, über den er redet. Es ist eines dieser riesigen, gesichtslosen Gebäude, in dem zwar ein Haufen Leute arbeitete, aber keiner von ihnen je darüber sprach, was er dort tat. Ich beginne zu glauben, dass er mir erzählen will, dass diese Frau für all das, was geschehen ist, verantwortlich ist, aber das tut er nicht. Er berichtet, dass sie ihn drei oder vier Tage zuvor gefunden hat. Sie war herumgefahren und hatte nach Überlebenden gesucht. Aber sie war bereits krank, da sie nichts gegessen hatte. Ihr Zustand hätte sich seitdem schrittweise verschlechtert. Ich fange an, Druck auf ihn auszuüben und hart mit ihm zu werden, weil ich wissen will, was da im Gange ist.
Martin Smith sagt, dass er die Frau gefragt hat, ob sie wüsste, was passiert ist, und sie hatte es bestätigt. Sie erzählte ihm, sie habe ein Labor gereinigt, als es geschah und habe daher den Schutzanzug getragen. Jeder andere um sie herum war getötet worden. Stundenlang sei sie im Gebäude herumgeirrt, um nach Hilfe zu suchen. Sie hatte niemanden gefunden, sich aber die Geschehnisse durch Dinge, die sie entdeckte, zusammenreimen können. Sie benutzte die Sicherheitspässe ihrer toten Kollegen, um in die Teile des Gebäudes zu gelangen, zu denen sie zuvor keinen Zutritt gehabt hatte. Sie sagte, dass das hier durch etwas verursacht worden war, worüber sie zum ersten Mal vor Jahren Gerüchte gehört habe. Geschichten darüber hätten schon beinahe so lange die Runde gemacht, wie sie in Camber gearbeitet habe.
Erinnern Sie sich an das Star Wars-Programm? Damals in den Achtzigern, vor dem Ende des Kalten Krieges, gab es eine Menge Lärm aufgrund des Plans, ein Abwehrschild zu bauen, um Länder vor nuklearen Angriffen zu schützen. Ich weiß nicht, ob es jemals in Angriff genommen wurde. Laut dieser Frau begannen eben diese Länder, als Terroristen mit Gewalt versuchten, ihre Ziele zu treffen, daran zu arbeiten, sich durch andere, unkonventionelle Mittel vor den drohenden Angriffen zu schützen. Sie sagte, dass sie einen künstlichen Keim erschaffen wollten, der sich – so sah der Plan aus – um Chemikalien oder Gifte in der Luft legen und diese neutralisieren sollte. Sie fand heraus, dass die Ausarbeitung bereits seit einiger Zeit angelaufen war und brachte auch in Erfahrung, dass eine Variante dieses ›Super-Keims‹ kreiert worden war und man angenommen hatte, er sei stabil. Er war intelligent, reproduzierte sich selbst und war aufgrund der vermehrten terroristischen Drohungen bereits freigesetzt worden. Anscheinend geschah das vor einigen Jahren. Martin sagt, die Frau habe ihm erzählt, wir alle hätten den Keim seither jeden Tag eingeatmet.
Wie auch immer, die Frau berichtete Smith, dass es einen chemischen Angriff gab. Das klang wahr – ich kann mich daran erinnern, etwas darüber in den Nachrichten gehört zu haben, bevor das alles anfing. Es gab einen Gasangriff auf ein Flughafengebäude in Kanada. Die Frau sagte, sie habe Berichte über enorm hohe Todeszahlen in den umliegenden Gebieten gesehen, die für die angeblich freigesetzte Menge des Giftes weit über dem Rahmen des Üblichen lagen. Sieht so aus, als hätte der Keim versucht, seine Arbeit zu leisten und den Angriff zu neutralisieren, aber er mutierte, als er das tat. Er wurde bösartig. Was auch immer geschah, er setzte eine Kettenreaktion in Gang, die rasch um sich griff. Der mutierte Keim hat das alles verursacht. Er hat sich in dem Versuch, uns zu beschützen, verändert und wurde zu etwas, das nahezu jeden getötet hat. Verdammt ironisch, was?
Martin Smith erzählt mir weiter, dass die Frau das alles aus vielen Informationsbruchstücken, die sie finden konnte, zusammengesetzt hat. Sie sah Aufzeichnungen, die zeigten, dass die Kommunikation zuerst mit dem Großteil Kanadas und in späterer Folge mit den umliegenden Ländern
Weitere Kostenlose Bücher