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Herbst - Zerfall

Herbst - Zerfall

Titel: Herbst - Zerfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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wo sie hinsollten, während er überall, wo er hinschaute, die zerfallenden, sterbenden Ruinen von Orten erblickte, die er gekannt hatte. Inzwischen glichen sie nur noch verblassenden Schatten, die sich allmählich in Nichts auflösten. Seine ganze Welt war vergewaltigt und unwiederbringlich zerstört worden.
    »Nun?«, bedrängte ihn Harte ungeduldig.
    »Hier rechts, dann die Hauptstraße entlang geradeaus.«
    »Glaubst du, da kommen wir durch?«
    »Sollten wir eigentlich. Das war teilweise eine Fußgängerzone. Und als alles losging, hat zudem nicht allzu viel Verkehr geherrscht.«
    »Woher weißt du das?«, fragte Hollis und hielt sich fest, als Driver den Bus nach rechts lenkte. Amir wischte sich eine weitere Träne weg, außerstande, den Blick von der verseuchten, überwucherten, verfallenden Welt draußen zu lösen.
    »Weil«, setzte er mit vor unterdrückten Gefühlen zittriger Stimme an, »ich hier gelebt und gearbeitet habe und hier war, als es geschah.« Der Bus rollte weiter, schwenkte leicht nach links und gelangte auf die Hauptstraße. »Und«, fuhr Amir fort und deutete durch das Fenster auf die Reihe der Geschäfte rechter Hand der Straße, »weil das Bromwell Jewel bis zu dem Zeitpunkt das beste Lokal im Umkreis von Meilen war.«
    »Hast du dort gearbeitet?«, erkundigte sich Harte.
    »Das war mein Laden«, antwortete Amir, als sie das Gebäude mit der blauen Fassade passierten. Eine Schicht aus Spinnweben und Staub überzog die Fenster. »Mein Leben.«
    Die Überreste der Bevölkerung von Bromwell lösten sich allmählich aus den Schatten. Langsam traten sie aus dunklen, verborgenen Winkeln hervor und kamen durch Türen, aufgeschreckt von dem plötzlichen Lärm. Ihr Zahl erwies sich als überraschend gering.
    »Warum sind es so wenige?«, fragte Harte, als die sterbliche Hülle eines Mannes in grauem Anzug sich vor den Bus schleppte. Er zuckte zusammen, als das kraftvolle Fahrzeug ihn rammte und der Schädel am unteren Rand der Windschutzscheibe zerplatzte wie ein mit Blut gefüllter Ballon. »Das kann doch nicht nur an Priests Musik liegen, oder?«
    »Woran sonst?«, gab Amir zurück. Hollis zuckte mit den Schultern.
    »Ich bin sicher, damit hat es auch zu tun, aber sieh dir das an – einige von ihnen bleiben zurück.«
    Hollis deutete weiter die Straße hinauf. Harte und Amir spähten hin, doch der Umstand, dass alles, auch die Leichen, jeglicher Farbe beraubt zu sein schien, gestaltete es schwierig, Einzelheiten zu erkennen, bis sich einer der Kadaver bewegte. Offenbar hatte Hollis Recht; einige der Kreaturen in den Schatten blieben eindeutig zurück, bis der Bus sie beinah erreichte. Harte drehte sich um und schaute durch das Heckfenster. Die Szene hinter dem Fahrzeug erwies sich als enttäuschend vertraut: Auf der Hauptstraße wimmelte es vor verzweifelten, dürren Gestalten, die sich vergeblich hinter ihnen herschleppten.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte sich Amir laut, die Augen geweitet und verwirrt.
    »Das haben wir schon mal erlebt«, antwortete Hollis. »Sie sind nicht so dämlich, wie man meinen möchte. Manchmal bleiben sie zurück, wenn sie denken, dass Gefahr droht.«
    » Was? «
    »Schau«, forderte Hollis ihn auf und deutete erneut aus dem Fenster. »Wenn sie alleine oder nur in kleinen Gruppen zusammen sind, neigen dazu, sich fernzuhalten. Und jetzt sieh hinter den Bus. Sobald die unmittelbare Bedrohung weg ist, kommen sie raus und verfolgen uns.«
    »Was willst du damit sagen? Macht es Martin demnach besser oder schlimmer? Sollten wir demzufolge nicht versuchen, sie möglichst voneinander zu trennen?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte er. »Es gibt wohl keine richtige Antwort. Selbst wenn man nur mit einem oder zwei konfrontiert ist, wenn sie keinen Weg an dir vorbei sehen, greifen sie dich trotzdem an.«
    »Wohin jetzt?«, brummte Driver, da das Ende der Straße nahte. Der gegenüberliegende Teil der Ortschaft war in den vergangenen achtzehn Monaten neu gestaltet worden. Man hatte mehrere große Gebäude auf nutzbar gemachtem Ödland an der anderen Seite eines unlängst wieder hergestellten Kanals errichtet. Dort gab es neben den üblichen Unterhaltungsläden und Fast-Food-Restaurants, die immer gemeinsam aufzutreten schienen, auch einen Supermarkt. Amir hatte die letzten sechs Monate darüber geflucht, weil er jenes Einkaufszentrum dafür verantwortlich gemacht hatte, dem Ortskern das Leben zu entziehen und somit auch seine Gäste wegzulocken. Nun konnte er nicht schnell genug

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