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Herbstbringer (German Edition)

Herbstbringer (German Edition)

Titel: Herbstbringer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Björn Springorum
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Anstatt vor immer mehr Fragezeichen zu stehen, konnte sie endlich auch mal eines der Rätsel lösen, die sich seit Schulbeginn angehäuft hatten.
    In dieser Nacht wurde sie das erste Mal seit Ewigkeiten nicht von Albträumen verfolgt. Sie träumte von Jake. Die meiste Zeit in diesem Traum verbrachte sie damit, Jake einfach nur anzusehen. Und dann wusste sie, dass er für sie da sein würde. Dass er sie nicht im Stich lassen würde.

    Gestärkt von ihrem Traum und dem Abend mit Jake, prallten die Blicke und Tuscheleien auf dem Schulhof in den nächsten Tagen von ihr ab. Sie verbrachte inzwischen jede Pause mit Jake.
    Außerhalb der Schule sahen sie sich in den nächsten Tagen dafür kaum. Noch hatte sich niemand getraut, den anderen nach einem offiziellen Date zu fragen. Grund genug für Emily, sich umso mehr auf die Pausen zu freuen. Ein Tag ohne Jake war für sie schon jetzt nicht mehr vorstellbar.
    »Komm, wir wollten uns doch mit Jake treffen«, quengelte Emily am Donnerstag denn auch ungeduldig zu Beginn der großen Pause, während sie auf Sophie wartete. Räumte sie die Reagenzgläser etwa absichtlich langsam ins Regal? Emily knirschte mit dem Zähnen.
    Dann waren sie endlich auf dem Schulhof. Schon von Weitem hatte Emily Jake erspäht. Hastig bahnte sie sich ihren Weg durch die Schüler. Er hatte einen Umschlag in der Hand. Bestimmt die Fotos von dem Mädchen.
    Verwirrt, fast schon ängstlich, blickte Jake ihr entgegen. Emily blieb verunsichert vor ihm stehen. Er machte keine Anstalten, sie zu begrüßen.
    »Jake, alles klar?« Sophie fuchtelte ihm testweise mit der Hand vor den Augen rum. »In den letzten Tagen doch noch Vampire gesehen?«
    Jake schien nicht zum Spaßen zumute zu sein. Er wollte etwas sagen, entschied sich dann dagegen, drückte Emily den Umschlag in die Hand und starrte sie wortlos an.
    »Was ist denn jetzt wieder?« Sophie schüttelte den Kopf. »Es tut dir echt nicht gut, bei deinem Opa zu wohnen.«
    Emily hörte sie nicht. Sie starrte auf das Blatt Papier in ihren Händen. Das war unmöglich!
    »Emily?« Keine Reaktion. Unsanft schüttelte Sophie sie zurück in die Wirklichkeit. Dann sah auch sie, was Emily die Sprache verschlagen hatte. Ihre Reaktion fiel ähnlich aus, ergänzt um ein leidenschaftliches: »Ach du Scheiße!«
    Es war die Kopie eines sehr alten Zeitungsartikels. Das regionale Blatt befasste sich auf einer halben Seite mit dem Tod der Tochter eines angesehenen Kunstförderers. Der Name der Zeitung war kaum zu entziffern, das Datum unleserlich klein. 05. Oktober 1833, vielleicht aber auch 25. Oktober 1898 – auf jeden Fall vor ziemlich langer Zeit.
    Und neben einem kleinen, beinahe unkenntlichen Bild der Familie, die im Text mit Lovelace benannt wurde, war ein Bild des verstorbenen Mädchens abgedruckt.
    Es war Emily wie aus dem Gesicht geschnitten.
    »Woher hast du das?«, fragte Emily schließlich leise, als Jake auch weiterhin keine Anstalten machte, etwas zu sagen.
    »Mein Großvater … er ist gestern Abend zurückgekommen. Er war total aufgeregt und hat behauptet, endlich neue Beweise gefunden zu haben.«
    »Beweise? Beweise für was? Und wo war er überhaupt?«, schaltete sich Sophie in das Gespräch ein. Sie sah gar nicht glücklich aus.
    »Im Süden, an der Küste. Aber das muss alles nichts heißen, oder? Immerhin hast du selbst gesagt, dass er ein alter Spinner ist. Er glaubt, dass Emily das Mädchen auf dem Bild ist.«
    »Aber das kann nicht sein.« Wieder betrachtete sie das Mädchen. Würde man Emily in ein viktorianisches Kleid stecken, würden auch die letzten Unterschiede verschwinden. »Vielleicht irgendeine alte Verwandte?«
    »Möglich«, sagte Jake zweifelnd. »Es ist nur …« Er zögerte.
    »Was?«
    »Als mein Opa dich in der Bibliothek gesehen hat, ist er gleich am nächsten Tag losgefahren. Er hat in dir etwas gesehen, wonach er wohl schon lange gesucht hat. Er will mir aber nicht sagen, was es ist, bis er mehr Beweise hat.«
    Emily blickte ratlos von Jake zu Sophie, die sofort den Blick abwandte. »Was für Beweise meint er? Wie kann er denn nur glauben, dass ich auf diesem alten Bild zu sehen bin?«
    »Das weiß ich auch nicht. Ich weiß überhaupt nicht, was ich von alldem halten soll. Mein Opa allerdings schon. Er … er hält dich für eine Vampirin!«



4
    Wie man es auch drehte und wendete: Das Mädchen aus dem Zeitungsartikel hatte nicht vor, ihre Ähnlichkeit mit Emily so einfach abzulegen. Die Schrift war beinahe unleserlich und wäre wohl

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