Herbstfeuer
noch auf der Erde sitzen, als sie schon aufgestanden war.
Lillian fragte sich, warum er sie so seltsam ansah, und begann, ihre Röcke auszuschütteln, aber das war sinnlos.
Ihre Kleider starrten nur so vor Schmutz. „O weh“, murmelte sie Daisy zu, die ebenfalls schmutzig war, wenn auch nicht in demselben Maße. „Wie sollen wir den Zustand unserer Kleider erklären?“
„Ich werde eine der Mägde bitten, sie in die Waschküche zu bringen, ehe Mutter etwas davon bemerkt. Was mich daran erinnert – allmählich sollten wir unseren Mittagsschlaf beenden!“
„Wir müssen uns beeilen“, sagte Lillian und warf einen Blick zurück auf Lord Westcliff, der seinen Überrock wieder angezogen hatte und nun hinter ihr stand. „Mylord, wenn jemand Sie fragt, ob Sie uns gesehen haben – würden Sie dann Nein sagen?“
„Ich lüge niemals“, sagte er.
„Könnten Sie zumindest davon Abstand nehmen, freiwillig irgendwelche Informationen preiszugeben?“
„Ich denke, das könnte ich tun.“
„Wie hilfsbereit Sie sind“, sagte Lillian in einem Tonfall, der genau das Gegenteil ausdrückte. „Vielen Dank, Mylord. Und wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen würden, wir müssen uns beeilen. Wirklich.“
„Folgen Sie mir, ich zeige Ihnen eine Abkürzung“, bot Westcliff an. „Ich kenne einen Weg durch den Garten und dann durch den Dienstboteneingang in die Küche.“
Die Schwestern sahen einander an und nickten gleichzeitig, ehe sie ihm nachliefen und Arthur und den Jungen flüchtig einen Abschiedsgruß zuwinkten.
Während Marcus die Bowman-Schwestern durch den spätsommerlichen Garten führte, ärgerte er sich über die Art und Weise, wie Lillian ihm stets ein Stück vorauseilen wollte. Es schien ihr rein körperlich unmöglich zu sein, sich seiner Führung anzuvertrauen. Unauffällig beobachtete er sie und bemerkte, wie ihre Beine sich unter dem leichten Musselinkleid bewegten. Sie ging mit langen, lockeren Schritten, so ganz anders als die anderen Frauen mit ihrem weiblichen Hüftschwung.
Im Stillen dachte Marcus daran, wie er während des Spiels auf unerklärliche Weise auf sie reagiert hatte. Als er ihr zugesehen hatte, war ihm der lebhafte, freudige Ausdruck in ihrem Gesicht unwiderstehlich erschienen. Sie besaß eine Energie und eine Begeisterung für körperliche Aktivitäten, die der seinen entsprach. Für eine junge Frau in ihrer Position galt es keineswegs als erstrebenswert, eine solche Gesundheit und einen so wachen Geist zu zeigen.
Junge Frauen sollten scheu, bescheiden und zurückhaltend sein. Aber es war ihm unmöglich, sie zu ignorieren, und ehe er recht wusste, was geschah, hatte er sich am Spiel beteiligt.
Ihr Anblick, so errötet und erregt, hatte Gefühle in ihm geweckt, die er lieber nicht empfunden hätte. Sie war hübscher, als er sie in Erinnerung hatte, und so unterhaltsam in ihrem Eigensinn, dass er unmöglich der Herausforderung widerstehen konnte, die sie ihm bot. Und in dem Augenblick, da er hinter ihr gestanden und ihren Schwung korrigiert, ihren Körper an dem seinen gespürt hatte, hatte er den primitiven Drang empfunden, sie irgendwohin zu bringen, wo sie allein wären, wo er ihre Röcke hochschieben und …
Mit einem leisen Seufzer zwang er sich, an etwas anderes zu denken, während er zusah, wie Lillian ihm vorauslief.
Sie war schmutzig, ihr Haar zerzaust – und aus irgendeinem Grund musste er noch immer daran denken, wie es sich angefühlt hatte, auf dem Boden zu liegen, während sie auf ihm saß. Ihr Gewicht hatte er kaum gespürt. Trotz ihrer Größe war sie sehr schlank, ohne üppige weibliche Kurven. Ganz und gar nicht von der Art, wie er es mochte. Aber nur zu gern hätte er sie um die Taille gefasst, sie fester an sich gezogen …
„Hier entlang“, sagte er abweisend, ging an Lillian Bowman vorbei, ganz nahe an den Hecken und Mauern, die sie vor Blicken aus dem Haus verbargen. Er führte die Schwestern über Pfade, an deren Rand Salvien wuchsen, zwischen alten Mauern hindurch, die mit roten Rosen und farbenprächtigen Hortensien bedeckt waren, und an massiven Steinvasen vorbei, die überzufließen schienen von weißen Stiefmütterchen.
„Sind Sie sicher, dass das eine Abkürzung ist?“, fragte Lillian. „Mir kommt es so vor, als wäre der andere Weg schneller gewesen.“
Marcus, der es nicht gewohnt war, dass seine Entscheidungen infrage gestellt wurden, bedachte sie mit einem kühlen Blick. „Ich kenne den Weg durch meine eigenen Gärten, Miss
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