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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Kleid aus blassgrüner Seide an, mit kurzen, weiten Ärmeln und einem Mieder, das an den Schultern mit goldenen Spangen gehalten wurde. Das so verhasste Korsett hatte ihre Taille einige Zentimeter schmaler werden lassen, und ein paar Polster ließen ihre Brust größer erscheinen, sodass sie über ein ansehnliches Dekollete verfügte. Dann führte man sie zum Frisiertisch, wo sie immer wieder zusammenzuckte, weil ihr die Kopfhaut wehtat, während das Mädchen ihr Haar auskämmte und zu einer kunstvollen Frisur aufsteckte. Inzwischen wurde Daisy derselben Tortur unterzogen und mit Spitzen und Polstern in ein buttergelbes Kleid mit Rüschen am Mieder geknöpft.
    Die ganze Zeit über war ihre Mutter anwesend und erteilte ihnen eine Flut von Anweisungen bezüglich guten Benehmens. „… denkt daran, englische Gentlemen mögen es nicht, wenn Mädchen endlos plaudern, und eure Meinung interessiert sie nicht. Daher möchte ich, dass ihr beide so still und schweigsam seid wie möglich. Und erwähnt keinerlei Sport! Vielleicht wird es so aussehen, als amüsierte sich ein Gentleman über eure Äußerungen zu Baseball oder irgendwelchen Rasenspielen, aber innerlich verachten sie ein Mädchen, das über Männerthemen spricht. Und wenn ein Gentleman euch eine Frage stellt, versucht, sie mit einer Gegenfrage zu beantworten, sodass ihr etwas über seine Erfahrungen hört …“
    „Und noch ein weiterer spannender Abend auf Stony Cross Manor“, murmelte Lillian. Daisy musste sie gehört haben, denn von der anderen Seite des Raumes her wurde unterdrücktes Gelächter hörbar.
    „Was war das?“, fragte Mercedes schroff. „Achtest du auf meine Anweisungen, Daisy?“
    „Jawohl, Mutter. Ich konnte nur für einen Moment nicht richtig atmen. Ich glaube, mein Korsett ist zu eng.“
    „Dann atme nicht so tief.“
    „Können wir es nicht lockern?“
    „Nein. Englische Gentlemen bevorzugen Mädchen mit schmalen Taillen. So, wo war ich stehen geblieben? Ach ja, während des Essens, wenn es eine Pause im Gespräch gibt…“
    Während Lillian mit finsterer Miene die Lektion über sich ergehen ließ, die sie so oder so ähnlich noch mehrmals während ihres Aufenthalts auf Stony Cross Manor hören würde, sah sie in den Spiegel. Der Gedanke an Westcliff erregte sie. Sie dachte daran, wie nahe sein dunkles Gesicht dem ihren gewesen war, und schloss die Augen.
    „Verzeihen Sie, Miss“, sagte das Mädchen, in dem Glauben, eine Haarnadel zu fest gesteckt zu haben.
    „Ist schon gut“, erwiderte Lillian mit einem schiefen Lächeln. „Lass nur. Ich habe einen harten Schädel.“
    Während das Mädchen weiter ihr Haar drehte und feststeckte, kehrten Lillians Gedanken zu Westcliff zurück.
    Würde er so tun, als hätte es den Kuss hinter der Hecke niemals gegeben? Oder würde er mit ihr darüber sprechen wollen? Diese Vorstellung war ihr peinlich, und sie dachte sich, dass sie mit Annabelle reden musste. Deren Ehemann Simon Hunt war Westcliffs bester Freund, und seit ihrer Hochzeit wusste Annabelle weit mehr über Westcliff als sie.
    Gerade als die letzte Haarnadel in die Frisur geschoben wurde, klopfte es. Daisy, die an ihren ellenbogenlangen Handschuhen zupfte, eilte zur Tür, ohne auf Mercedes’ protestierenden Hinweis zu achten, dass eines der Hausmädchen öffnen sollte. Beim Anblick von Annabelle Hunt stieß Daisy einen Freudenschrei aus. Lillian erhob sich von ihrem Platz am Frisiertisch und eilte dazu, und alle drei schlossen einander in die Arme. Es war ein paar Tage her, seit sie sich im Rutledge begegnet waren, dem Hotel, in dem beide Familien residierten. Bald würden die Hunts ein neues Haus beziehen, das in Mayfair errichtet wurde, aber inzwischen besuchten die Mädchen einander in ihren Suiten, so oft es möglich war. Gelegentlich äußerte Mercedes Bedenken deswegen und meinte, Annabelle habe einen schlechten Einfluss auf ihre Töchter, dabei war es tatsächlich genau andersherum.
    Wie immer sah Annabelle hinreißend aus in einem hellblauen Satinkleid, das sich eng an ihre wohlgeformte Figur schmiegte. Die Farbe des Kleides betonte ihre dunkelblauen Augen und schmeichelte ihrem Pfirsichteint.
    Annabelle trat einen Schritt zurück, um beide Mädchen zu betrachten. „Wie war eure Reise von London hierher? Habt ihr schon irgendwelche Abenteuer erlebt? Nein, das ist unmöglich, ihr seid ja noch kaum einen Tag hier …“
    „Vielleicht“, murmelte Lillian vorsichtig, denn ihre Mutter befand sich in Hörweite. „Ich muss mit

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