Herbstfeuer
schlug Gideon Shaw lächelnd vor und musterte dabei den Viscount, als wäre er ein Teil der königlichen Menagerie.
„Das hätte ich tun sollen“, räumte St. Vincent ein. „Aber eine Frau, die ein Schäferstündchen wünscht, habe ich noch nie zurückweisen können. Und es war verdammt lange her, seit ich mit einer das Bett geteilt hatte, bestimmt eine Woche, und ich war …“
„Eine Woche ist eine lange Zeit, um niemanden im Bett zu haben?“, unterbrach ihn Marcus mit hochgezogenen Brauen.
„Willst du behaupten, dass es das nicht ist?“
„St. Vincent, wenn ein Mann die Zeit hat, mehr als einmal in der Woche eine Frau in sein Bett zu holen, dann hat er offensichtlich nicht genug zu tun. Es gibt so viele Aufgaben, die dich beschäftigen sollten, anstelle von …“
Marcus hielt inne. Er suchte nach dem richtigen Ausdruck und fand ihn schließlich: „… erotischen Zusammenkünften.“ Schweigen breitete sich aus. Marcus blickte zu Shaw hinüber und sah, wie sein Schwager plötzlich sehr damit beschäftigt schien, die Asche seiner Zigarre übertrieben sorgfältig in den kristallenen Aschenbecher zu klopfen. Er runzelte die Stirn. „Shaw, Sie sind ein viel beschäftigter Mann, der auf zwei Kontinenten seinen Geschäften nachgeht. Offensichtlich stimmen Sie mir zu.“
Shaw lächelte. „Da meine erotischen Zusammenkünfte sich ausschließlich auf meine Gemahlin beschränken, die zufällig Ihre Schwester ist, scheint es mir vernünftiger, dazu zu schweigen.“
St. Vincent lächelte träge. „Wie schade, wenn so etwas wie Vernunft ein interessantes Gespräch unterbricht.“ Er ließ seinen Blick zu Simon Hunt schweifen, der ein wenig irritiert aussah. „Hunt, Sie könnten auch Ihre Meinung äußern. Wie oft sollte ein Mann eine Frau lieben? Ist mehr als einmal die Woche ein Zeichen für unverzeihliche Wollust?“
Hunt warf Marcus einen entschuldigenden Blick zu. „So schwer es mir auch fällt, St. Vincent zuzustimmen …“
Marcus runzelte die Stirn. „Es ist allgemein bekannt, dass übermäßige sexuelle Aktivität nicht gut ist für die Gesundheit, genau wie übermäßiges Essen und Trinken …“
„Soeben hast du meinen perfekten Abend beschrieben, Westcliff“, sagte St. Vincent lächelnd und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Hunt zu. „Wie oft haben Sie und Ihre Gemahlin …“
„Was sich in meinem Schlafzimmer abspielt, ist kein Thema für eine Diskussion“, erklärte Hunt entschieden.
„Aber Sie sind öfter als einmal in der Woche bei ihr?“
„Zum Teufel – ja“, stieß Hunt hervor.
„Und das sollten Sie auch, bei einer Frau, die so schön ist wie Mrs. Hunt“, sagte St. Vincent galant und lachte, als Hunt ihm einen warnenden Blick zuwarf. „Oh, keine Sorge – Ihre Gemahlin ist die letzte Frau auf der Welt, an der ich Interesse habe. Keineswegs hege ich den Wunsch, Ihre Fäuste zu spüren. Und Frauen, die glücklich verheiratet sind, haben mich noch nie interessiert. Nicht, solange unglücklich verheiratete Frauen so viel leichter zu haben sind.“ Wieder sah er Marcus an. „Wie es scheint, stehst du mit deiner Meinung allein, Westcliff. Die Werte harter Arbeit und Selbstdisziplin bieten keine Konkurrenz zu einem warmen weiblichen Körper im Bett.“
Marcus runzelte die Stirn. „Es gibt wichtigere Dinge.“
„Wie zum Beispiel?“, fragte St. Vincent mit der übertriebenen Geduld eines rebellischen Schuljungen, der von seinem Großvater eine unerwünschte Lektion erhielt. „Ich nehme an, du nennst jetzt etwas wie gesellschaftlichen Fortschritt? Sag mir, Westcliff …“ Er kniff die Augen zusammen. „Wenn der Teufel dir einen Pakt vorschlagen würde, nach dem all die hungernden Waisenkinder in England von nun an wohlversorgt sein würden, wenn du nie mehr bei einer Frau liegst – wie würdest du dich entscheiden? Die Waisen? Oder deine eigene Zufriedenheit?“
„Auf hypothetische Fragen antworte ich niemals.“
St. Vincent lachte. „Wie ich es mir dachte. Pech für die Waisen, wie es scheint.“
„Ich sagte nicht …“, begann Marcus und brach dann ungeduldig ab. „Egal. Meine Gäste warten. Ihr könnt dieses sinnlose Gespräch hier weiterführen oder mich in die offiziellen Empfangsräume begleiten.“
„Ich komme mit“, sagte Hunt sofort und erhob sich. „Meine Frau wird bereits auf mich warten.“
„Genau wie meine“, stimmte Shaw zu und stand ebenfalls auf.
St. Vincent warf Marcus einen boshaften Blick zu. „Gott bewahre mich
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