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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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„Nun, wenn Sie sich beschweren wollen – hier. Etwas zum Nachdenken.“
    Er neigte sich über sie, berührte mit den Fingerspitzen ihre Wange und schob ihren Kopf ein wenig zur Seite.
    Lillian schloss die Augen, und dann fühlte sie die seidenweiche Berührung seiner Lippen, als er sie unendlich behutsam küsste. Leicht bewegte er die Lippen, bis sie die ihren für ihn öffnete. Gerade hatte sie angefangen, die fremdartige Verlockung dieses Kusses zu genießen, als es auch schon vorüber war. Verwirrt und atemlos ließ sie es zu, dass er den Arm um ihre Schultern legte, bis sicher war, dass sie nicht vom Tisch fallen würde.
    Etwas zum Nachdenken, in der Tat.
    Nachdem er ihr auf die Füße geholfen hatte, ging St. Vincent mit ihr gemeinsam durch den Garten, bis sie die Terrassen erreichten, die zum Haus führten. An der Hecke blieben sie stehen. Das Mondlicht zauberte einen silbernen Glanz auf sein Profil, als er sie ansah. „Danke“, flüsterte er.
    Dankte er ihr für den Kuss? Lillian nickte ein wenig unsicher und dachte, dass es eigentlich andersherum hätte sein müssen. Obwohl Westcliffs Bild noch immer tief in ihrem Herzen eingegraben war, fühlte sie sich nicht mehr so niedergeschlagen wie vorhin im Ballsaal.
    „Sie denken an unsere Ausfahrt morgen früh?“, fragte St. Vincent, während er seine Finger an ihrem Handschuh hinauf gleiten ließ, bis er die bloße Haut ihres Armes berührte.
    Lillian nickte.
    Amüsiert runzelte St. Vincent die Stirn. „Habe ich Ihnen die Sprache geraubt?“, fragte er und lachte, als sie wieder nickte. „Dann halten Sie jetzt still, ich werde sie Ihnen wieder zurückgeben.“ Behutsam beugte er sich vor und küsste sie, sodass ihr das Blut heiß durch die Adern zu strömen schien. Ganz leicht strich er über ihre Wange, während er sie fragend ansah. „Ist es besser? Ich möchte hören, dass Sie etwas sagen.“
    Sie konnte nicht anders, sie musste lächeln. „Gute Nacht“, flüsterte sie.
    „Gute Nacht“, sagte er mit einem Lächeln und drehte sie von sich weg. „Sie gehen zuerst hinein.“
    Lillian konnte sich nicht vorstellen, dass es einen anziehenderen Mann geben konnte als Sebastian, Lord St. Vincent, wenn er es darauf anlegte, charmant zu sein, wie er es am nächsten Morgen tat. Er hatte darauf bestanden, dass auch Daisy sie begleitete, und daher traf er die drei Frauen der Familie Bowman in der Eingangshalle, in der Hand ein Rosenbukett für Mercedes. Er führte sie nach draußen zu einem schwarz lackierten Fahrzeug, gab dem Fahrer ein Zeichen, und der Wagen rumpelte über den Kiesweg.
    St. Vincent saß auf dem Platz neben Lillian und erkundigte sich bei den drei Frauen über ihr Leben in New York.
    Lillian fiel auf, dass es sehr lange her war, seit sie und Daisy mit irgendjemandem über ihre Geburtsstadt gesprochen hatten. Kaum jemand in der Londoner Gesellschaft schien sich für New York zu interessieren oder für das, was dort passierte. Doch Lord St. Vincent erwies sich als so aufmerksamer Zuhörer, dass sie eine Geschichte nach der anderen erzählten.
    Eifrig berichteten sie über die langen Häuserreihen in der Fifth Avenue und den Winter im Central Park, wenn der Teich an der Fifty-Ninth Street zugefroren war und wöchentlich Kostümfeste auf dem Eis veranstaltet wurden. Sie erzählten davon, wie es manchmal eine halbe Stunde dauern konnte, die Broadway Avenue zu überqueren wegen des unablässigen Zuges von Omnibussen und Pferdedroschken. Und von dem Eissalon Ecke Broadway und Franklin, wo man es wagte, auch junge Damen zu bedienen, die ohne männliche Begleitung unterwegs waren.
    Ihre Beschreibungen der Exzesse Manhattans schienen ihn zu belustigen, wie etwa jene über die Party, bei der der Ballsaal mit dreitausend Treibhausorchideen geschmückt war, oder die Vorliebe für Diamanten, die mit der Entdeckung neuer Minen in Südafrika begonnen hatte. Mittlerwaren waren alle, von den Älteren bis zu den Kleinkindern, mit funkelndem Geschmeide bedeckt. Und natürlich vergaßen sie auch nicht die schlichte Anweisung zu erwähnen, die jeder Dekorateur erhielt: „Mehr!“ Mehr Vergoldungen, mehr Nippsachen, mehr Färben und dekorative Stoffe, bis jeder Raum vom Fußboden bis zur Decke gefüllt war.
    Zuerst versetzte es Lillian in nostalgische Stimmung, von dem bunten Leben zu berichten, das sie einst geführt hatte. Aber als der Wagen an den goldenen Weizenfeldern vorbeikam, die reif waren für die Ernte, und sie in den dunklen Wäldern das Wild

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