Herbstgeflüster (Die Kanada-Reihe)
Erklärung. „Du wolltest dich hier sauber machen und meine Leiche mitsamt dem Haus und deinen Klamotten verbrennen, richtig?“
„Richtig.“
„Guter Plan.“
„Ich weiß.“
„Zieh dich an und komm' runter frühstücken“, sagte Bomer und wandte sich ab.
„Keine Handschellen?“
Er blieb an der Treppe stehen, sah aber nicht zurück. „Ich bin ein Seal. Wenn du denkst, es mit mir aufnehmen zu können, versuch' dein Glück.“
Das leise, „Fuck!“, in seinem Rücken ließ Bomer den ganzen Weg hinunter in die Küche grinsen, auch wenn er sich dabei vorkam wie ein Trottel. War er jetzt komplett verrückt geworden, diesen Typen ohne Handschellen frei im Haus herumlaufen zu lassen? Er würde höllisch auf seinen Hintern aufpassen müssen, wenn er nicht tot und als Aschehäufchen enden wollte.
Sie schlichen den Rest des Tages umeinander herum, ein anderes Wort fiel Bomer dafür nicht ein. Charly fand es toll, noch jemanden zu haben, den er nerven konnte, und sein Gefangener mochte Tiere wirklich. Das bewies er den ganzen Tag lang immer wieder. Selbst Emma ließ sich von ihm streicheln und seine einzige Hausdame war äußerst wählerisch, was das betraf. Max konnte sie zum Beispiel nicht leiden und ging ihm aus dem Weg, sobald der auf einem seiner seltenen Besuche vorbeischaute. Es erstaunte Bomer jedes Mal aufs Neue, wenn Emma sich dazu herabließ, die Gesellschaft seines Gastes zu suchen.
Der sich im Übrigen selbst um seine dreckige Wäsche kümmerte, nachdem sie den dritten Beutel ausgegraben hatten. Bomer nannte zwar keinen Trockner sein Eigen, aber auf den Luxus einer Waschmaschine wollte er nicht verzichten. Das musste sein Generator aushalten, der für Strom und warmes Wasser sorgte.
Nach dem Abendessen, das sie schweigend aßen, sich dabei nachdenklich taxierend, gingen sie gemeinsam mit Charly eine Runde spazieren. Es fiel kein Wort zwischen ihnen und trotzdem hatte Bomer das Gefühl, als wüsste er alles über den stillen Mann neben sich. Dabei wusste er im Grunde genommen nichts. Keinen Namen, kein Geburtsdatum, keine Erinnerungen – kein Leben. Sie waren sich ähnlich und Adrian hatte recht mit dem, was er am Telefon gesagt hatte. Irgendetwas war an dem Kerl, dass er ihn nicht loslassen konnte. Nur was?
Nach ihrer Rückkehr ins Haus entschied sich Bomer für eine Dusche. Die verschaffte ihm zwar keine weiteren oder neuen Erkenntnisse, aber sie lenkte ihn einige Zeit von seinen fruchtlosen Grübeleien ab. Und wo er schon dabei war, holte Bomer seinen Rasierer aus dem Schrank und rückte dem Gestrüpp in seinem Gesicht zu Leibe. Da er wie üblich vergessen hatte, sich Sachen mitzunehmen, verließ er das Badezimmer nur mit einem Handtuch um die Hüfte bekleidet.
Bomer sah einen langen, schmalen Schatten auf sich zukommen und wich sofort aus. Der Kaminhaken sauste haarscharf an seinem Ohr vorbei. Durch den Fehlschlag aus dem Gleichgewicht gebracht, brauchte sein Angreifer ein paar Sekunden, um sich wieder zu fangen, doch die reichten Bomer für ein Zurückschlagen aus.
Sie landeten in einem Knäuel aus Armen und Beinen am Boden. Der Kaminhaken fiel klappernd zur Seite und Bomer nagelte den Mann unter sich fest. Mit wütendem Blick sah er auf ihn hinunter. „Du musstest es versuchen, nicht wahr?“
„Was hast du erwartet?“, fuhr sein Gegenüber ihn an. „Dass ich nichts tue? Dass wir hier weiter einen auf gute Freunde machen, obwohl wir das nicht sind?“
„Ich hatte erwartet, dass du weit mehr Verstand hast, als einen Seal anzugreifen, wenn er nackt aus dem Bad kommt. Die Tür zu meinem Schlafzimmer steht auf, die Nachttischlampe ist an und leuchtet in den Flur. Bist du wirklich so ein Stümper? Man greift entweder gleich im Dunkeln an oder sorgt dafür, dass kein Schatten fällt. Ein blutiger Anfänger stellt sich nicht so dilettantisch an, wie du gerade!“
„Oh, ich bitte vielmals um Verzeihung, dass ich nicht in dein Bild des kalten, gefühllosen Killers passe.“
Bomer knirschte vor Wut mit den Zähnen. „Ich sollte dich dafür umbringen!“
„Mach' doch!“
„Damit du dich bestätigt fühlst, was mich betrifft? Tut mir leid, aber den Gefallen tue ich dir nicht, Kleiner.“
„Nenn' mich nicht, Kleiner!“
Bomer zerrte seinen Gefangenen am Pulloverkragen zu sich, bis sich ihre Nasen beinahe berührten. „Solange du dich wie ein Baby aufführst, nenne ich dich auch so!“
„Wichser!“
„Ach, wechseln wir jetzt wieder zu den Beleidigungen aller Art über? Gut
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